Frieda:

Wilmas Beerdigung

Och, auch mal ganz schön, so einfach zuhören, häääh. Bloß mit Kindern hat's unsereins ja nich so, nee. Ich geh lieber mal zu ner Beerdigung, häääh.
Gestern ham sie Wilma verscharrt...könnte man fast sagen. Nö, war nich schön. Sind wohl auch viele wegen die Kälte weggeblieben. Obwohl, die Leichenhalle war ja fast überhitzt, jaa. Und wenn man dann so dicht annen Sarch sitzt und das man bloß son einfachen ist, der auch nicht hundertprozentig schließt. Soo intensiv will man seinen Angehörigen dann schließlich auch nich in Erinnerung behalten.
Och joh, aber für die Verwandten isses wohl besser so, jaa. War ja in letzter Zeit bloß noch ne Last. Konnte selbst nirgends mehr hin. Auch wohl hauptsächlich wegen daß untenrum alles weg war, ooh. Und krichte sich alle was daher, das stimmte doch vorne und hinten nix von, daß ihr alle ans Leben wollten und daß ein Pfund Zucker 2.60 kostet. Was doch'n Quatsch, kost' doch bloß 2.50. Reinhard hat noch gesacht: "Was doch ne Schweinerei! Da zahlt man jahrelang die teuren Beiträge und dann legt uns Blüm die halbtote Frau ins Zimmer."
Nö, im Krankenhaus wollten sie sie nich mehr haben. Haben ihr die Forke und alles ja aus'm Bauch wohl noch rausgezogen, das wohl. Aber als sie dann den Wundbrand festgestellt hatten, waren sie's auch leid - das Gebölke ewig auffe Station. Jaaa, die Schwestern mußten noch drei Zimmer weiter den Fernseher laut stellen, jaha.
Zu Hause haben sie dann das ganze Zimmer mit Schaumstoff und Eierpappen ausgeschlagen. Reinhard braucht ja auch seinen Schlaf. Is schließlich auch bloß Anitas Mutter, häääh.
Grade jetzt wo er auch immer so früh nache Stadt hin muß, vor Gericht wegen die Forkensache. So viel Eiter hätt er seinen Lebtach noch nich gesehn, hat der Tierarzt gesacht. Und bei den vielen Fliegen auf'm Hof sicher auch nich einfach. Reinhard hat ihr dann wohl öfter mal 'n paar Urlaubsprospekte hingelegt, daß sie auf andere Gedanken kommt, aber...hätt sie immer noch mehr gebölkt.
Ich wollt sie ja auch nochmal besuchen. Sie wollte ja alle noch mal sehen, aber was hat man doch von so'n Besuch, wenn einer so krank ist. Wo auch "Hoppi und Muckel, die lustigen Kaninchen aus dem Weltraum" im Fernsehen kam, nee. Bin ich schließlich doch zu Hause geblieben. Reinhard war schon nach'n Finanzamt hingefahren, und Wilma lag da in ihre Bude zu bölken vor Schmerz. Was doch'n Quatsch, wo keiner da war.
Schließlich ist sie wohl doch dann friedlich entschlafen. Als Reinhard vonner Arbeit kam, lag sie tot anner Heizung. Er hat sie dann wohl noch losgebunden. Ich mein', ging ja auch keinen was an. Nachmittags wollte der Anwalt noch kommen, da hätt sie dann ja alles erzählen wollen, den Hergang mit der Forke und alles.
Nu is egal jedenfalls. Ich hätt Sickendieks Wilma 'nen schöneren Tod gewünscht. Aber das eine will man, das andere muß man, häääh. Kommt längst nich so im Leben, wie man sich das alles vorstellt.