Der kleine Tierfreund:
Tiere im Herbst
Wenn sich die glühend rote Kugel der Sonne schon am Nachmittag am
Horizont verabschiedet oder ganze Tage wie zerstäubt im
Nieselregen vergehen, steigt die Selbstmordrate unter den Tieren
wieder. Alte Hirsche stehen regungslos auf der Lichtung, bis sich ein
Weidmann ihrer erbarmt und ein Projektil unter die Decke jagt.
Wildschweine laufen auf der Autobahn herum, ja, und sogar die
putzmunteren Stubenfliegen hängen deprimiert am Klebestreifen.
Niemand kann ihnen helfen. Oft sogar fehlen ihnen 30 Pfennig, um die
Telefonseelsorge anzurufen. Warum nur sehen die Tiere in dieser Zeit
keinen Ausweg mehr? Es ist die Vereinsamung, die so viele erfaßt
da draußen im Gehölz. Der Ricke ward das Kitz vom
Mähdrescher genommen, Meister Lampe verlor seine Frau beim Spiel,
und der Käfer blickt betreten aus dem flachen Chitin heraus.
In den Wintermonaten werden 90 Prozent der Tierhaushalte von Singles
bewohnt. Und da ist kein Telefon, um sich an der Fasanenschüttung
zu verabreden, auch keine Iltis-sucht-Fahrrad-Parties, um rammelbare
Gesellschaft zu finden. Einsam steht der Lurch in der kargen Umwelt und
weiß nicht weiter. Was läge da näher, als dem elendigen
Erdendasein ein Ende zu bereiten? So kriecht er mit gesenktem Haupt auf
die Straße und harrt dem Rendezvous mit dem Autoreifen.
Auch wir Menschen verfallen in trübsinnige Schwermut, wenn das Laub
von den Bäumen fällt, und fahren mit überhöhter
Geschwindigkeit durch glitschige Kurven. Oft ist es dann das
zusätzliche Quentchen Schlüpfrigkeit, vom lebensmüden
Lurch erzeugt, das den Wagen aus der Kurve trägt und am Baum
zerschellen läßt. Nehmen Sie es ihm nicht übel, liebe
Zuhörer - er hat's nicht so gemeint!
Bis zum nächsten Mal - Ihr kleiner Tierfreund.
(rj,-)