Das Zeilensprungverfahren

Grundlagen für die Video- und Bildbearbeitung

Inhalt: 1. Grundlagen
2. Vereinigung der Halbbilder
3. Formatkorrektur bei Einzelbildern
4. Blitze aus Videos beseitigen

1. Grundlagen

Zeilensprungverfahren
Das Zeilensprungverfahren
(stark vereinfacht)

Die Entwickler des Fernsehens standen vor einem grundlegenden Problem: die geplante Übertragungsfrequenz (UHF) kann nur eine gewisse Menge an Informationen übertragen, die für 25 Bilder pro Sekunde ausreicht - dies würde aber stark flimmern und keinen sonderlichen Sehgenuss bringen.

Also teilte man jedes Bild in zwei sogenannte Halbbilder auf, die nacheinander gesendet und auf den Bildschirm geschrieben werden, und zwar jeweils um 1 Zeile versetzt. Diesen Versatz nennt man Zeilensprung oder auf englisch Interlacing. Auf diese Weise kann man den Bildschirm 50 mal pro Sekunde beschreiben, was bedeutend besser aussieht: das Bild flackert nicht, Bewegungen werden fließender dargestellt. Im Schema links sind die Zeilen des 1. Halbbildes blau, die des 2. Halbbildes gelb dargestellt. Das 1. Halbbild belegt die ungeraden Zeilen (1, 3, 5, 7...) und das 2. die geraden (2, 4, 6, 8...). Wie der Fernseher den Zeilensprung hinbekommt, ist ein interessantes Rechenexempel, das wir hier aber nicht weiter verfolgen wollen.

So weit, so gut. Leider ergeben sich aus dieser Technik einige Probleme für die weitere Video- und Bildbearbeitung, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen.


Bewegter Gegenstand
Ein Rechteck bewegt sich
von links nach rechts

Wie schon gesagt, werden die Halbbilder nacheinander geschrieben - und natürlich auch nacheinander aufgenommen, um fließende Bewegungen zu gewährleisten. Deshalb können die beiden zu einem Vollbild gehörenden Halbbilder bei schnellen Bewegungen oder Schwenks stark unterschiedliche Inhalte haben. Das Hauptproblem, das uns dabei interessiert, sind die horizontalen Bewegungen.

Links bewegt sich ein Gegenstand über den Bildschirm. Er wird abwechslend von dem 1. und dem 2. Halbbild dargestellt. (Diese Darstellung ist natürlich stark vereinfacht. Die scheinbare Zickzackbewegung nach oben und nach unten ist auf dem Fernseher nicht sichtbar, weil die einzelnen Zeilen zu dünn sind und die Halbbilder zu schnell wiederholt werden. Außerdem leuchten die Farbpartikel in der Bildröhre etwas nach, sodass schwarze Linien wie auf der Grafik gar nicht erst entstehen können.) Was ich deutlich machen will: der Gegenstand hat auf jedem Halbbild eine andere Position.

Eines sollte klar sein: Vollbilder mit Zeilensprung bekommen wir nur, wenn wir unsere Videocapturehardware auf volles Format einstellen, also 576 Zeilen. (Das beschnittene Format mit 540 Zeilen hat zwar auch Zeilensprung, es taugt aber nicht für die Konvertierung zu MPEG-2-Videos.) Ist das Format z. B. auf 288 Zeilen gestellt, wird sowieso nur noch 1 Halbbild pro Bild aufgenommen.


2. Vereinigung der Halbbilder - Deinterlacing

Filme mit Zeilensprung haben nur Sinn, wenn man sie sich auch auf einem Fernseher anschaut. Computermonitore arbeiten sowieso mit flimmerfreien hohen Frequenzen, sodass sie ohne Zeilensprung betrieben werden. Hier werden immer Vollbilder (progressive scan) dargestellt.

Es gibt vielerlei Gründe, Halbbilder zu Vollbildern zu vereinigen: diverse Videoformate lassen gar keine Halbbilder zu (z. B. MPEG-1), oder man möchte aus einem Video ein Einzelbild exportieren, um es auszudrucken oder ins Internet zu stellen.

Zum Beseitigen des Zeilensprunges gibt es drei Methoden:
Addidtion
Interploation
Reduktion

Die Halbbilder werden ganz einfach zusammengelegt - und fertig. Das Resultat sind die berüchtigten Kammstrukturen.

Wenn sich das jeweilige Programm etwas mehr Mühe gibt, werden die Teile, in denen sich die beiden Halbbilder unterscheiden, interpoliert, das heißt, es werden Mittelwerte gebildet - hier die dunkelroten Bereiche.

Das einfachste Verfahren ist es, ein Halbbild einfach wegzulassen, indem man die Anzahl der Zeilen halbiert (und, um das Seitenverhältnis zu erhalten, auch die Bildbreite). Diese Methode empfiehlt sich besonders, wenn man sowieso vorhat, die Bildgröße zu reduzieren.

Man sieht, dass das Deinterlacing nur unter Verlusten durchgeführt werden kann. Schmale Strukturen, deren Breite einer Bildschirmzeile entspricht, können leicht unter den Tisch fallen; schräge Kanten werden stufig usw. Außerdem bekommen wir ein Video mit wirklich nur 25 Bildern pro Sekunde - ein Umstand, den man eigentlich nur akzeptieren kann, wenn eine hohe Kompression seiner Videodatei wichtiger ist als eine Bildqualität mit weichen Bewegungen.

Hat man vor, sein Video auf dem Fernseher auszugeben, sollte man den Zeilensprung also besser beibehalten und Videoformate benutzen, die diesen auch unterstützen: z. B. AVI oder MPEG-2.

TMPEG Interlacing Options
Die Zeilensprung-Optionen bei TMPEG

Besonders bei der Konvertierung ins MPEG-2-Format muss man auf die Zeilenpriorität achten. Das heißt: wenn beim Ausgangsmaterial das 1. Halbbild die ungeraden Bildzeilen belegt, dann muss dies auch beim Endprodukt der Fall sein. Bei den mir bekannten Encodern kann man die Zeilenpriorität einstellen. Beim TMPEG (siehe Bild) gibt es "Odd field first" und "Even field first", also "ungerade Zeilen zuerst" bzw. "gerade Zeilen zuerst". Wenn das Endprodukt ruckelnde Bewegungen aufweist, kann es daran liegen, dass bei jedem Einzelbild erst das 2. und dann das 1. Halbbild abgespielt wird. Dann sollte man ausprobieren, ob man eine Verbesserung erzielt, indem man hier die Einstellung ändert.

Ein Sonderfall ist, wenn wir in unser Videoprojekt eine Szene eingebaut haben, die wir rückwärts ablaufen lassen. Hier muss man schon im Videoschnittprogramm nach der Möglichkeit suchen, wo sich die richtige Zeilenpriorität einstellen lässt, da hier bei ruckelnden Bewegungen eine Korrektur notwendig sein kann.

Steffen Duenner empfiehlt für das Deinterlacing:
"Dabei hat sich bei mir Deinterlace durch sogenanntes "Field Blending" am besten bewährt, d.h. über das gesamte Bild wird einfach ein vertikales Gaussfilter (Unschärfe) mit einem Radius von 1 gelegt, wodurch die ausgefransten Kanten verschwinden und ineinander geblendet werden. Bei Adobe Premiere heisst diese Einstellung übrigens "Deflicker" unter "Video/Field Options" (NICHT Deinterlace!) und dient dort eigentlich dazu, harte horizontal-verlaufende Kontraste, z.B. bei Titeln zu entflimmern, indem das Bild vertikal leicht vermischt wird und auf diese Weise eine Bildinformation immer in beiden Feldern vorhanden ist.
Nebenwirkung: Schnelle Bewegungen, bei denen die Interlacefransen lang sind, werden auf die Weise zu schönen und filmtypischen Bewegungsunschärfen (Motion Blur). Bewegungen wirken wie bei einem Shutter Speed von 1/25 anstatt 1/50 oder schneller aufgenommen, schön weich eben."



3. Formatkorrektur bei Einzelbildern

Ausgangsmaterial

Auf 45 Prozent verkleinert:
falsch verkleinert richtig verkleinert
Das Ausgangsmaterial mit Zeilensprung Falsch verkleinert Richtig verkleinert

Hat man ein Einzelbild aus einem Video exportiert und will dieses mit einem Bildbearbeitungsprogramm verkleinern, um es z. B. ins Internet zu stellen, kann man Überraschungen erleben, wenn man dabei ungeschickt vorgeht.

Das Ausgangsmaterial zeigt einen Strommast vor einer finnischen Seenlandschaft, die seitlich aus dem fahrenden Auto heraus gefilmt wurde. Deutlich sieht man die beiden Halbbilder, aus denen der Strommast "zusammengesetzt" ist.

Unser Ziel ist es, dieses Bild auf 45 Prozent der ursprünglichen Größe zu bringen. Machen wir das in einem Schritt, bekommen wir ein ärgerliches Resultat. Warum?

Das Bildbearbeitungsprogramm verkleinert Bilder, indem es Zeilen entfernt. 45 Prozent der Zeilen sollen übrig bleiben, also muss jede 2,222te Zeile entfernt werden. Das geht natürlich nicht, das Programm kann nur ganze Zeilen entfernen. Also muss gerundet werden. Ich will das jetzt nicht im einzelnen vorrechnen, aber das Resultat sieht für diesen Fall so aus, dass folgende Zeilen übrig bleiben: 2, 4, 6, 8, 10, 13, 15, 17, 19, 22, 24, 26, 28, 30 usw. Man sieht: erst kommen 5 gerade Zeilen, dann 4 ungerade, dann wieder 5 gerade. Das bedeutet, dass 5 Zeilen komplett aus dem 1. Halbbild stammen, dann 4 aus dem 2. und die nächsten 5 wieder aus dem 1. Halbbild. Das Resultat: der Strommast ist übel zerhackt. So geht es also nicht!

Es ist deshalb viel besser, das Bild zuerst einmal auf die halbe Größe zu bringen, dann ist das eine Halbbild durch die Beseitigung jeder zweiten Zeile komplett verschwunden. Anschließend kann man das Bild in einem zweiten Schritt auf die endgültige Größe bringen.

Wichtig ist, dass der erste Schritt durch ein einfaches Entfernen der Zeilen ohne Berechnung des Bildes geschieht. Dieses Verfahren wird "Resize" oder "Pixelverfahren" o. ä. genannt. Nur für den zweiten Schritt empfiehlt sich "Resample" oder "Intelligentes Verfahren" o. ä., wobei die entfallenden Zeilen in die übrig bleibenden hineingerechnet werden.


4. Blitze aus Videos beseitigen

Zum Schluss noch ein kleiner Trick, der ebenfalls mit dem Thema "Zeilensprung" zusammenhängt.

Es kommt immer wieder vor, dass man am Abend etwas filmt, und gleichzeitig fotografiert jemand mit Blitzlicht. Wen das auf seinem Video stört, der kann den Blitz mit etwas Aufwand problemlos entfernen.

Meine ersten Versuche in dieser Richtung waren, das geblitzte Bild aus dem Video herauszuschneiden und das darauf folgende Bild zu verdoppeln. Das Resultat war unbefriedigend: man sah ein deutliches Ruckeln in den Bewegungen, wo das Bild ersetzt worden war.

Viel besser sieht das Ergebnis aus, wenn man das störende Bild exportiert, den Blitz entfernt und das Bild an die selbe Stelle in sein Projekt einfügt. Der Blitz ist nämlich viel kürzer als 1/50 Sekunde und beleuchtet deshalb in der Regel nur eins der beiden Halbbilder.

Lädt man das exportierte Bild in ein Bildbearbeitungsprogramm, dann sieht man gleich die Streifenstruktur: ein Halbbild ist normal, das andere ist hell beleuchtet. Durch Halbieren der Bildgröße ist das eine der beiden Halbbilder schnell entfernt. Nur - wenn man Pech hat, erwischt man genau das falsche Halbbild; das kommt auf die Umstände und das Programm an. Bleibt ausgerechnet das geblitze Halbbild übrig, muss man die Verkleinerung rückgängig machen, das Bild von der 2. bis zur letzen Zeile um genau 1 Zeile nach oben verschieben und dann noch einmal die Verkleinerung durchführen.

Das verkleinerte Bild wird, ins Videoprojekt eingefügt, beim Rendern auf die normale Größe hochgerechnet, indem jedes Pixel verdoppelt wird. Diese kurze Verschlechterung der Auflösung fällt aber nicht auf, weil sie ja nur 1/25 Sekunde lang dauert. Hauptsache, der störende Blitz ist nun beseitigt!



Ausführliche Infos über Videobearbeitung und vieles mehr bei Stefan Uchrin's EDV-Tipps


Autor: Paul Lenz       Stand: 25.10.2000       Homepage