Meine Südsee-Reise im Januar 2005

Fidschi: Suva Zur Übersicht Rückreise

Fidschi: Kioa

   
Schon nach 45 Minuten landete die 15-sitzige EMB 110P1 auf dem winzigen Flughafen an der Nordspitze von Taveuni. Mit einem Taxi ließ ich mich zum etwa 15 Kilometer entfernten Hafen an der Westküste bringen. Ich hatte dem Fahrer einfach gesagt, ich wolle ein Boot nach Kioa nehmen und hoffte, er würde schon wissen, wohin er zu fahren hatte. Das war aber nicht ganz einfach. Wir stoppten an einer Anlegestelle, wo ein paar junge Männer saßen. Ich zeigte ihnen die Visitenkarte, der darauf geschriebene Name schien ihnen bekannt zu sein. Aber sie wussten nicht, wann und wo ein Boot hinüber fahren würde. Wir kehrten um und fuhren zurück zur Küstenstraße. Da erblickte der Taxifahrer einen weißen Kombi, der gerade die Straße Richtung Süden fuhr. "Ich kenne diese Leute, die kommen von Kioa", sagte er, verfolgte den Kombi und machte Zeichen, dass sie stoppen sollten. Nach einem kurzen Palaver folgten wir dem Kombi weiter, bis er an einer Stelle anhielt, wo die Straße dicht am Wasser vorbei führte. Hier lag ein großes Motorboot bereit. Ich zeigte noch einmal die Visitenkarte hervor und wurde eingeladen, mitzukommen. Vielmals dankend bezahlte ich den Taxifahrer, der mir so hervorragend geholfen hatte. Die Insassen des Kombis hatten noch etwas zu erledigen, es trafen auch noch einige weitere Leute ein, ich musste eine Zeitlang warten. Das Wetter war trocken, aber ein kräftiger Wind erzeugte hohe Wellen. Und in der Nähe von Kioa bewegte sich etwas über das Wasser. Ich zoomte es mit meiner Videokamera heran: ein winziges Segel! Es stimmte also, hier waren noch Segelboote in Benutzung! Schließlich gingen wir an Bord und fuhren los. Einer der Männer zeigte auf einen anderen Mann mit dichten grauen Haaren und Vollbart: das sei Alfred, der Chef des Dorfes, ich müsse ihn um Erlaubnis fragen, ob ich das Dorf betreten darf. Sollte ich das ernst jetzt nehmen? Schließlich saß ich ja bereits im Boot. Ich schaute Alfred an, aber der nickte lächelnd und sagte, ich dürfe das Dorf betreten, und ich sagte "vinaka vaka levu" (vielen Dank). Das Boot schaukelte fürchterlich, ein kleines Mädchen musste sich übergeben. Hin und wieder bekam ich einen Schwapp Wasser über den Rücken. Alfred sagte, es täte ihm leid, aber ich antwortete, in Deutschland wäre das vielleicht ein Problem, aber hier wäre das Wasser so angenehm warm, dass es mir nichts ausmacht. Hauptsache, mein Gepäck war sicher und trocken unter ein paar Matten verstaut. Schließlich erreichten wir den Windschatten von Kioa, die Fahrt wurde ruhiger, und nach kurzer Zeit fuhr das Boot auf das Ufer auf: wir waren im Dorf Salia angekommen. Für die Überfahrt hatte ich 5 FJD zu bezahlen.

Ich wurde zu einem Haus geführt, wo mich ein Mann namens David begrüßte, ein Jugendfreund von Papu. Ohne Umschweife bekam ich einen Teller voll Essen, während Davids Frau das Ehebett frisch bezog, mit aufgehängten Stoffbahnen ein Schlafzimmer für mich abteilte und für sich selbst Matten auf dem Boden ausbreitete. Das war mir schon ziemlich unangenehm, solche Umstände zu machen, wo sie mich noch nicht einmal eingeladen hatten. David's Frau fragte mich, wie lange ich bleiben wolle. Ich sagte, maximal zwei Nächte, dann müsse ich zurückfliegen, aber vielleicht auch nur eine Nacht, denn ich würde ihnen ja das Bett wegnehmen. Aber nein, sagte sie, das macht überhaupt nichts, vor ihr aus könnte ich hier Wochen und Monate bleiben! Ich wollte mich aber noch nicht festlegen und erzählte, dass ich eigentlich nur hergekommen wäre, um einmal mit einem Ausleger-Segelboot zu segeln. Kein Problem, das könnte arrangiert werden. Später setzte ich mich noch unter einem großen Baum zu einer Gruppe Männer mit der unvermeidlichen Kava-Schale. Ihre Dorfschule hatte einen neuen Lehrer bekommen, und für dessen Haus bauten sie gerade eine Küche. Dafür bekamen sie keinen Lohn, sondern nur eine Entschädigung in Form von Kava-Wurzeln. Etliche Männer rauchten. Sie rissen von einem relativ dicken Papierblatt einen Streifen ab, krümelten eine winzige Menge Tabak hinein und drehten das Papier zu einer sehr langen, aber nur hauchdünnen Rolle zusammen.

   
Am nächsten Morgen schaute ich mir David's Haus an. Es war relativ groß, aber auch ziemlich unfertig. Das Obergeschoss hatten sie erst nach der Geburt ihrer drei Kinder aufgesetzt, dann war das Geld alle. Auch die Treppe, die vom Obergeschoss nach hinten zur Toilette und zur Dusche führte, war eine improvisierte Konstruktion aus rohen Brettern und Bambusstangen, die nur unter großer Vorsicht zu benutzen war. Hinter der Toilette stand ein museumsreifer Dieselgenerator, der aber brav seinen Dienst tat. Kinder waren teuer. Wir saßen auf dem Boden und frühstückten. David's Frau erzählte mir, dass sie schon angefangen hatte, für einen Tisch zu sparen, aber dann musste sie das Geld nehmen, um hellgrüne Schulkleidung für ihre Kinder kaufen. Jedes Kind benötigte drei komplette Garnituren, denn nach zwei Stunden musste die Kleidung gewechselt werden, weil sie verschwitzt war. Das war strenge Vorschrift, die sogar hier auf dieser kleinen Insel eingehalten werden musste. (Es gab übrigens fünf Lehrer, die die Kinder des 300-Seelen-Dorfes unterrichteten.) David's Frau betrieb einen kleinen Laden, in dem sie Haushaltswaren verkaufte, allerdings mehr als Hobby, allzu viel war hier nicht zu verdienen. Immerhin besaßen sie einen Fernseher und einen DVD-Player.

Nach dem Frühstück rief ich einen Tauchladen auf Taveuni an (mein Handy funktionierte sogar hier), der von Schweizern geführt wurde. Taveuni sollte das absolute Taucherparadies sein, und wenn ich schon mal hier bin, wollte ich auch gern tauchen. Die Frau am Telefon lehnte es aber ab, mich morgen früh tauchen zu lassen, wenn ich noch am selben Nachmittag nach Nadi fliegen wollte - selbst bei einem kurzen Flug nur in einer Propellermaschine könnte es zu Dekompressionsschäden kommen. Damit war nun auch klar, dass ich eine weitere Nacht auf Kioa verbringen würde.

Dann führte David mich zu einem jungen Mann, der mit mir segeln sollte. Wir gingen zu einem Abschnitt am Strand, wo eine Menge kleine Boote lagen. Aus einem Haus in der Nähe besorgte er sich ein Segel und das notwendige Gestänge, alles hing irgendwie zusammen und wurde nicht getrennt. Dann trugen wir das Boot ins Wasser und paddelten erst einmal eine Weile am Ufer entlang. Ich hatte dafür kein Verständnis, denn der Wind war gut, und ich lehne es ab zu paddeln, solange noch ein bisschen Wind weht. Mein Begleiter hatte aber irgendwelche andere Vorstellungen. Schließlich wurde das Segel gesetzt. Der Mann fummelte ziemlich lange herum, bis er das Gestänge und die Seile sortiert und ihre Funktion herausgefunden hatte. Alle Stangen hatten eine Art Zwille am unteren Ende und wurden damit einfach auf Querstreben gesetzt, die sich überall in dem Boot befanden. Dieses Gebilde war schon ziemlich stabil, es musste nur noch durch ein Seil gegen den Wind abgespannt werden. Heraus kam eine Konstruktion, die dem Modell im Museum sehr deutlich ähnelte. So segelten wir bei schönstem Wetter in Richtung Taveuni. Man musste allerdings trotz Ausleger auf die Balance achten, denn das kleine Stück Holz ließ sich leicht untertauchen bzw. aus dem Wasser heben. Umso mehr musste ich den Segler bewundern, den ich gestern durch den Sturm hatte flitzen sehen. Mein Begleiter fragte mich immer wieder, ob es mir gefalle, und ich beteuerte jedes Mal, wie sehr ich unsere Segeltour genoss. Schließlich kehrten wir um. Ich wäre gern noch alleine herumgesegelt, aber das wollte mir der Mann nicht erlauben, denn das Boot und das Segel war nur ausgeliehen. Aber er erklärte mir sehr viel. Diese Boote wurden selten älter als zehn oder zwölf Jahre, weil das Holz anfing zu faulen, dann wurde der Einbaum undicht. Anders als bei dem Boot im Museum saß man zwar im Inneren des Einbaums, aber Bug und Heck waren ebenso mit Deckeln versehen. Statt der Cocosnussfasern benutzte man Angelschnüre, um die Holzteile zu verbinden, oder man klebte sie zusammen. Den Klebstoff gewann man, indem man Hartschaumverpackungen in Benzin auflöste. Jedenfalls war mir nun klar, weshalb es außer im Museum keine großen Boote mehr gab: ihre Lebensdauer war einfach zu kurz. Besonders schlecht schien es um die Mattensegel zu stehen, deshalb benutzte man nur noch abenteuerlich zusammengeflickte Stoffsegel, wenn man nicht überhaupt nur paddelte.

   
Anschließen machten wir noch einen Ausflug in den Wald. Es ging sehr steil bergauf. Mein Begleiter erzählte mir, dass er vor wenigen Wochen zu diesem Aufstieg noch gar nicht fähig gewesen war. Er war ganz allein 60 Meter tief getaucht und hatte nicht auf seine Luft geachtet. Als diese ihm plötzlich ausging, musste er schnellstens auftauchen. Er war dann so schnell wie möglich nach Suva gebracht worden, wo die einzige Kompressionskammer von Fidschi stand, aber das konnte nicht mehr die schweren Dekompressionsschäden in seinen Kniegelenken verhindern. Lange Zeit war er völlig kraftlos gewesen, aber nun wurde es allmählich besser. Schweißüberströmt kamen wir dann auf einem Felsen an, von dem wir eine wunderbare Aussicht auf das Dorf hatten. Es war wirklich ein paradiesisches Stückchen Erde. Mein Begleiter sagte, wie glücklich er hier wäre. Geld war leicht verdient, man musste nur hinaus paddeln und ein paar Fische fangen. Auf dem Rückweg zeigte er mir noch ein paar kleine Plantagen, die im Wald versteckt waren - immer dort, wo das Gelände einigermaßen eben war. Mangos, Bananen und andere Früchte wurden hier angebaut. Im Dorf sagte ich, ich würde gern noch ein paar Aufnahmen machen, wie ich mit dem Segelboot fahre. Mein Begleiter meinte jedoch, dazu wäre morgen noch Gelegenheit.

Am Nachmittag machte ich einen langen Spaziergang am Strand entlang, es gab aber nichts besonderes zu sehen. Als ich zurück kam, saßen die Männer schon wieder um die Kava-Schale. Die Küche war fertig. Es handelte sich um eine aufgeständerte Plattform von etwa drei Metern Seitenlänge mit einem Dach, alles aus Bambus hergestellt. In einer Ecke stand ein einfacher Herd, das war alles. Man lebte halt ein einfaches Leben auf Kioa. Um 16:30 Uhr begann der Pastor, die Kirchenglocke zu läuten, sie stand oben auf dem Hang neben seinem Wohnhaus. Er läutete unermüdlich eine geschlagene halbe Stunde. Ich war neugierig auf den Gottesdienst und zog meine Jeans an, meine einzige lange Hose. Zum Glück war es jetzt nicht mehr so heiß. David's Familie wollte zu meiner Überraschung nicht mitkommen. Der Pastor kam herunter in die Kirche, die wie in Fidschi üblich aus einem großen, flachen, von außen schmucklosen Haus bestand. Der Gottesdienst begann, und immer noch betraten Leute die Kirche. In der Südsee nimmt man es einfach nicht so genau mit der Uhrzeit, da mochte der Pastor wohl noch so früh anfangen zu läuten. Der Gottesdienst dauerte nicht allzu lange, es wurden ein paar schöne Lieder gesungen, die Predigt war relativ kurz. Dann ging ich wieder in David's Haus. Hier hatte sich die Familie versammelt. In bester Kleidung - das gehörte wohl einfach dazu - saßen sie auf dem Boden und studierten gemeinsam einen englischen Text, der sich mit der Bibel beschäftigte. Ich setzte mich hinzu, bekam ebenfalls ein Heft mit diesem Text und verstand allmählich, dass diese Familie zu den Zeugen Jehovas gehörte. Mit keinem Wort hatten sie es vorher erwähnt oder gar versucht, mich von ihrem Glauben zu überzeugen!

Übrigens versuchte ich immer wieder, Papu anzurufen, wie es ich ihm versprochen hatte. Aber er war nie zu erreichen, weder zu Hause (da ging - wenn überhaupt - nur eins seiner Kinder ans Telefon) noch auf seinem Handy oder unter Steve's Nummer. Ich versuchte es mehrmals über den Tag verteilt und auch am nächsten Tag, aber immer vergebens.

   
Am nächsten Morgen wurde ich von Motorlärm geweckt. Die große Grasfläche, die sich mitten im Dorf befand, wurde von einigen Frauen gemäht. Sie benutzten dazu kleine Motoren, die an einem Riemen an der Schulter hingen und eine lange Achse hatten, an deren Ende Messer rotierten. David's Frau erklärte mir, dass heute Vormittag ein Minister zu Besuch käme. Jeder Frau des Dorfes war ein Teil der Grasfläche zugeteilt worden, den sie zu säubern und zu mähen hatte. Warum dies nicht die Männer taten, war nicht herauszubekommen. Zuerst aber waren meine Aufnahmen an der Reihe. David's Sohn nahm gern die Aufgabe an, meine Geräte zu bedienen. Ich schraubte meine Videokamera auf das Stativ und zeigte dem Jungen, wie er sie ein- und wieder ausschaltet, außerdem erklärte ich ihm, dass meine Digitalkamera fortlaufend Fotos schießt, sobald er sie einschaltet. Dann holten wir das Segel und das Boot und segelten langsam (der Wind war sehr schwach) an den Kameras vorbei. David's Sohn machte alles richtig, ich war mit den Aufnahmen sehr zufrieden, wenn auch dieses kleine Boot nicht gerade das war, was ich mir ursprünglich erträumt hatte. Immerhin: welcher Tourist kann schon solch ein Bild vorweisen?

Wir brachten das Boot und das Segel zurück. Mein Begleiter meinte, ich könne vielleicht etwas Geld bezahlen. Kein Problem, der Besitzer des Bootes bekam 50 FJD und mein Begleiter ebenfalls. Dann führte er mich zu einigen Leuten, die Souveniers verkauften. Ich erstand noch eine Muschelkette für 10 FJD, etwas anderes hätte in meinem prallen Rucksack keinen Platz gefunden.

   
Nun wurde der Minister erwartet. Seine Ankunft wurde von einem Muschelhornbläser angekündigt. Ich bekam einen Wickelrock ausgeliehen, der meine nackten Kniee bedeckte. Im großen Gemeinschaftshaus versammelten sich die Dorfbewohner und setzten sich in einer Hälfte des Raumes auf den Boden, der mit Matten ausgelegt war, ich setzte mich zwischen sie. Viele trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Kioa" und hatten sich mit frischen grünen Blättern geschmückt. Der Minister erschien in Alfred's Begleitung, er machte in seinem mit rot und weiß bedruckten Hemd und dem Wickelrock überhaupt nicht den Eindruck eines hohen Politikers, und ebenso selbstverständlich ließ er sich mit Alfred in der anderen Hälfte des Raumes auf dem Boden nieder. Die Dorfbewohner begrüßten ihn mit mehreren Liedern. Etwa zehn Männer saßen um eine flache Holzkiste herum und trommelten gemeinsam mit den nackten Händen den Takt. Alle Lieder wurden sehr langsam begonnen, ein Vorsänger gab den Ton und das Tempo an, dann steigerte sich das Tempo allmählich, bis es nicht mehr schneller ging, und mit einem letzten gemeinsamen Trommelschlag kehrte plötzlich Stille ein. Nach einer winzigen Pause wurde das Lied wiederholt, wobei der Vorsänger die Melodie jedes Mal ein bisschen höher anstimmte als beim vorigen Durchgang. So erlebte jedes Lied eine mehrfache Steigerung. Einige Frauen und Männer standen im Hintergrund und tanzten, allerdings hauptsächlich mit den Armen, indem sie Bewegungen machten, die mich an Sitztanz erinnerten. Anschließend wurde palavert. Das meiste auf Fidschi, nur manchmal sprach der Minister kurz auf englisch. Es schien um Geld zu gehen, vermutlich um Forderungen im sozialen Bereich. Der Minister lehnte die Forderungen offensichtlich ab, ich verstand nur einen Satz "die Inder arbeiten hart für das, was sie bekommen". Dann wurde die Versammlung aufgelöst.

Nun war es Zeit, Abschied zu nehmen. Ein Mann namens Maikel wollte mit seiner Familie nach Taveuni hinüber und mich mitnehmen. Ich fragte David's Frau, ob ich etwas bezahlen solle, denn schließlich hatten sie mich ja nicht eingeladen. Das lehnte sie rundweg ab, aber sie gab mir einen Brief mit, den ich zu Hause einem Zeugen Jehovas geben sollte. Das versprach ich ihr. Als wir losfuhren, sah ich, wie nicht allzu weit entfernt auch der Minister zusammen mit zwei Begleitern ins Wasser watete, in sein Boot stieg (ein offenes Boot mit Außenbordmotor wie alle anderen auch) und eigenhändig eine dicke Holzstange nahm, um das Boot vom Ufer abzustoßen. Ja, so geht es in Fidschi zu...


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