Von Korppoo nach Rauma

Im Juli 2008 unternahm ich eine Segeltour durch das Schärengebiet an der finnischen Südwestküste. Den ganzen Törn kann man hier bei Google Maps nachverfolgen. Unten im Süden geht's los, bei den einzelnen Markierungen sind weitere Informationen und teilweise auch Fotos.

So eine lange Reise auf Salzwasser wollte sorgfältig geplant werden. Wichtig war die Route, sie musste offene Wasserflächen vermeiden, wo mein Boot vielleicht von hohen Wellen schnell versenkt werden könnte. Ebenso wichtig war es, Möglichkeiten zu haben, um die Reise bei schwachem Wind vorzeitig abbrechen zu können, denn mein Urlaub war ja begrenzt. Dabei muss ich sagen, dass solche Planungen heutzutage unendlich viel einfacher sind als noch vor 10 Jahren. Es ist unglaublich, was man alles im Internet findet: nicht nur Beschreibungen aller Häfen und sämtliche Busfahrpläne, sondern auch detaillierte Karten und Luftbilder auf www.karttapaikka.fi, die mir die Anschaffung vieler teurer Seekarten ersparten. Ich druckte 13 Kartenausschnitte 1:50.000 auf A3-Blätter und fütterte mein GPS- Gerät mit sechs größeren Karten. Wenn man nicht den markierten Wasserstraßen folgt, was ich mit meinem kleinen Boot weder immer kann noch möchte, dann wird man sich in diesem Insellabyrinth ohne GPS-Navigation hoffnunglos verirren. Daneben waren noch einige andere Probleme zu lösen: wie versorge ich mein GPS-Gerät so lange mit Strom und wie bringe ich mein Boot nach Korppoo, ohne den Mietwagen länger als 24 Stunden zu benötigen unter Berücksichtigung der Busfahrpläne sowie der Lage und der Öffnungszeiten der Mietwagenfirmen.

Hier ein kurzes Reisetagebuch:

12.7. Um 12:30 Uhr nehme ich meine Dachträger und fahre mit dem Bus nach Turku. Ich gehe zu Budget, wo ich ein Auto mit passender Dachreling bestellt hatte. Zu meiner Überraschung hat der Mann auch schon Dachträger angeschraubt, für die ich noch nicht mal Mietgebühr bezahlen muss. Sehr praktisch für mich, denn so kann ich meine Bügel zu Hause lassen und muss sie nicht im Boot mitnehmen. Ich fahre nach Rauma zu meinem Boot, lade alles ein, fahre nach Hause und packe die übrigen Sachen: eine wasserdichte Plastikkiste mit meinem Notebook (damit wollte ich unterwegs bei Bedarf Wetterkarten aus dem Internet abrufen), eine Kiste mit Lebensmitteln, Zelt, Schlafsack usw.

13.7. Um 8:00 fahre ich nach Turku und weiter über zwei kostenlose Fähren zu der Insel Korppoo, wo ich gegen 11:30 ankomme. Im Hafen von Galtby installiere ich mein Boot, packe alles ein und segele zu der nahegelegenen Insel, wo mein Bruder ein Sommerhaus gemietet hat. Er bringt mich mit einem Motorboot zum Hafen zurück. Ich fahre nach Turku, gebe das Auto ab und fahre mit dem Bus zurück nach Galtby. Mein Bruder bringt mich wieder zu der Insel. Nach dem Abendessen erkunde ich die Insel und entdecke zu meiner Überraschung die ersten Blaubeeren. Ich speichere die Koordinaten in meinem Pocket-PC und führe dann später meine Nichte zu den Fundstellen.

14.7. Der Wind ist sehr schwach. Ich will die Wetterkarte anschauen und muss feststellen, dass mein Notebook die notwendigen Einstellungen "vergessen" hat, wie er mein über Infrarot angeschlossenes Handy ansprechen muss. Ich verbringe viel Zeit damit, die Einstellungen zu rekonstruieren und neu zu installieren. Das kostet zwar keine Gebühren, aber - was ich leider nicht bedenke - viel Strom, und ich hatte das Ladegerät für mein Handy nicht mitgenommen, weil ich es nicht für nötig gehalten hatte. So muss ich während meiner Reise äußerst sparsam sein, um in einem Notfall noch nach Hilfe telefonieren zu können. Auch die Anrufe von Lin, die immer wissen möchte, ob ich noch lebe, muss ich auf ein paar SMS beschränken. Schließlich habe ich die Wetterkarte auf dem Schirm, sie verspricht zunehmenden Wind und gutes Wetter in den nächsten Tagen. Anschließend montiere ich die Deutschland-Flagge, mit der mein Bruder sein Auto während der Fußball-EM verunziert hatte, am Heck meines Bootes. Am frühen Nachmittag segele ich dann los. Erst langsam, aber dann frischt der Wind auf. Ärgerlicherweise gibt es auch ein wenig Regen. Unterwegs erkunde ich eine Lachsfarm, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Bei der Insel Mäntykari beschließe ich zu übernachten. Sie ist unbewohnt, da störe ich niemanden. Ich baue mein Zelt auf und koche ein Fertiggericht.

15.7. Der Wind hat deutlich zugelegt. Schnell komme ich zu der Insel Velkuanmaa, wo ich im Gasthafen anlege und zu dem nahe gelegenen Restaurant gehe. Hier habe ich allerdings nur die Wahl zwischen ein paar Kleinigkeiten und einem großen Buffet, das erst in einer Stunde beginnt. Ich entscheide mich für das Warten. Und das lohnt sich: für 18 Euro bekomme ich eine Suppe, eine riesige Auswahl von Fischsalaten und frischen Salaten, dazu Geschnetzeltes mit Pellkartoffeln und hinterher Nachtisch und Kaffee. Alles ist sehr lecker. Dann segele ich weiter. Hinter der Insel liegt eine offene Wasserfläche, die ich überqueren muss, wenn ich nicht einen riesigen Umweg machen und dabei zwei Kilometer gegen den Wind kreuzen will. Die Wellen tragen schon deutliche Schaumkronen - ein Zeichen dafür, dass der Wind die für mein Boot zumutbare Stärke erreicht hat - aber ich wage es trotzdem. Es werden zwei äußerst spannende Kilometer. Insgesamt kommen aber nur ein paar Tassen Wasser ins Boot, vor allem durch eine Welle, die kurz vor der Bordwand anfing sich zu brechen und deren Krone deswegen voll ins Boot schwappte. Das kostet Nerven! Im Windschatten einer kleinen Insel erhole ich mich erst mal und schöpfe das Wasser aus dem Boot. Dann geht es weiter. Das gegenüber liegende Ufer ist nahe, aber mangels prägnanter Inseln nicht zu identifizieren. So dauert es eine Weile, bis ich merke, dass ich falsch bin. Denn über meinen Pocket-PC habe ich einen Gefrierbeutel gestülpt, und dieser ist wegen Wassertropfen und Salzflecken praktisch undurchsichtig, sodass ich meine Position nur sehr mühsam ablesen kann, zumal ich ja gleichzeitig auch steuern, das Segel kontrollieren und auf Wellen aufpassen muss. Ich drehe schließlich um und fahre auf meinem geplanten Kurs weiter. Im Schutz der Inseln habe ich endlich wieder Ruhe. Auf der Nordspitze der Insel Vähä Varkaankari finde ich einen guten Zeltplatz.

16.7. Auf der Nachbarinsel steht ein Sommerhaus, aber offensichtlich sind die Besitzer nicht anwesend, sodass ich mir erlaube, das Plumpsklo zu benutzen. Schließlich komme ich wieder an eine ungeschützte Stelle, wo mich der starke Wind veranlasst, einen Umweg zu machen und im Schutz einiger Inseln zu bleiben. So erreiche ich den südlichsten Anleger von Uusikaupunki, wo ich mein Boot anbinde. Den großen Gasthafen will ich nicht benutzen, weil ich befürchte, Hafengebühren bezahlen zu müssen und weil ich dort beim Hinausfahren gegen den Wind kreuzen müsste, wobei ich vielleicht andere Boote stören könnte. Oder ich müsste rudern, was für mich prinzipiell nur bei absoluter Flaute in Frage kommt. An diesem abgelegenen Anleger rechne ich damit, dass niemand vorbei kommt und meine Sachen klaut. Ich gehe etwa einen Kilometer bis zu Gasthafen, wo ich vergeblich eine Handy-Ladestation suche, dann esse ich einen Döner, kaufe frisches Obst und gehe zu meinem Boot zurück. Es ist ein wenig mühsam, aus der Bucht heraus zu kreuzen, weil die Inseln den Wind abhalten. Dann muss ich das Hauptfahrwasser überqueren, was mir auch gelingt, ohne den Verkehr zu stören. In der Nähe finde ich die Insel Vähä-Heinänen, wo ich übernachte. Der Lärm des Industriehafens ist zwar noch hörbar, aber er stört nicht.

17.7. Auch hier muss ich mühsam zwischen den Inseln herauskreuzen, aber dann geht es umso flotter zur Sache. Eigentlich wollte ich durch die Schleuse auf den künstlichen See (siehe 28. Juni) segeln, aber das wäre jetzt ein Umweg gewesen, und außerdem befürchte ich, dass ich am nördlichen Ausgang eine lange Strecke auf einer schmalen Wasserstraße gegen den Wind kreuzen muss oder dass dort der Wind sehr schwach ist. Deshalb segele ich nun trotz des starken Windes außen herum. Es wird wieder ziemlich abenteuerlich, aber ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, es ist nicht mehr so aufregend wie gestern. Aber ich muss immer an den berühmten Film "Lohn der Angst" denken: bloß nicht übermütig werden und die Aufmerksamkeit nachlassen! Ich mache auch ein paar Umwege, um in windgeschützten Gebieten zu segeln oder zumindest einigermaßen in Landnähe zu bleiben, damit ich im Notfall nicht allzu weit schwimmen muss. Schließlich erreiche ich den nördlichsten Punkt meiner Reise. Dort erblicke ich einen Turm und beschließe, diese zwei Kilometer weiter zu segeln, denn es gibt dort reichlich Schären, die zwar nicht den Wind, aber die Wellen abhalten. Ich überquere die Hauptschifffahrtslinie (immer eine spannende Sache mit meinem langsamen Boot, denn die großen Frachter können sehr schnell kommen) und lande an der kleinen Insel Santakari. Der Turm ist, wie ich später erfahre, kein ehemaliger Leuchtturm, sondern nur eine alte Landmarke. Eine Seite ist offen, die Wand ist dort zerstört. Im Inneren gibt es eine Leiter zur Spitze, aber deren unteres Ende ist abgesägt, sodass ich sie nicht benutzen kann. Ich mache ein paar Fotos und segele Richtung Rauma. Etwa eineinhalb Stunden später erreiche ich gegen 21 Uhr mein Ziel. Kaum zu glauben, dank des starken Windes aus günstigen Richtungen habe ich heute etwa 60 Kilometer geschafft! Ich gehe zu dem Haus meiner Kollegin, hole meinen Trailer und bringe das voll beladene Boot zu dem Haus. Dann fahre ich mit dem Rad, das ich vor einer Woche hergebracht hatte, zu meiner Wohnung.

18.7. Ich fahre mit dem Fahrradanhänger zu meinem Boot. Ärgerlich: in der Nacht hat es stark geregnet, und eine Pfütze hat sich gerade unter der Sitzbank gebildet, unter der mein Schlafsack liegt. So ist er nach der langen Reise am Ende doch noch nass geworden. Naja, zum Glück nur reines Süßwasser. Ich lade mein Gepäck in den Anhänger, verstaue das Boot und fahre nach Hause.

Insgesamt habe ich 156 km in 3,5 Tagen zurückgelegt. Spitzengeschwindigkeit bei starkem Rückenwind laut GPS zeitweise 8,5 km/h! Das Boot ist jetzt übrigens 18 Jahre alt und immer noch vollkommen dicht.


Meine schönsten Finnland-Bilder