Sicherheitsschulung
Heute muss ich zum Haupttor gehen. Dort findet eine Sicherheitsschulung statt.
Wir bekommen eine Menge wichtige Dinge erzählt, zum Beispiel dass man auf der
Baustelle einen Helm tragen soll, und wenn man auf eine besonders lange Leiter
steigt, dann soll man jemanden bitten, dass er die Leiter festhält. Der Vortrag
wird in fast gleichlautenden Worten an eine Leinwand projiziert. Ich bin ganz
bestimmt nicht der einzige, der mit dem Schlaf kämpft. Nach einer Stunde ist
der Vortrag überstanden, und wir müssen einen Fragebogen ausfüllen, um unsere
Kenntnisse zu beweisen. Da wir nur die richtigen Antworten anzukreuzen haben,
ist die Prüfung schnell erledigt. Natürlich haben alle bestanden. Nun gehen
wir hinunter, wo wir uns einzeln an eine Art Schalter setzen müssen. Auf der
anderen Seite sitzen Sicherheitsleute, die unsere Personalien aufnehmen und
uns mit einer Kamera fotografieren, die an ihren Computer angeschlossen ist.
Ich muss meinen Pass vorzeigen und auch meine Magnetkarte abgeben. Dann werde
ich nach dem "truck test" gefragt. Ich verstehe nicht und muss zurückfragen.
Ich bin doch kein Truckfahrer und habe auch keinen derartigen Test gemacht,
sondern eine Prüfung zum Thema Sicherheit. Dann wird mir klar, dass mein
Gegenüber den Begriff "drug test" nur etwas hart ausgesprochen hat, und ich
reiche meinen Drogentest hinüber. Nun muss ich ein paar Minuten warten und
bekomme dann einen permanenten Ausweis mit Foto und eingebautem Mikrochip.
Damit werde ich entlassen und kann wieder zurück zur Baustelle gehen.
Der Rest des Tages vergeht wieder mit dem Anschauen von Zeichnungen.
Allmählich prägen sich wichtige Begriffe und Bauteile ein. Mein Chef geht
mit mir auch einmal nach draußen. Das spätere Reaktorgebäude ist mit Wänden
umgeben, daneben liegt ein Dach, das bei Bedarf auf die Wände gesetzt werden
soll. Dieses Gebäude soll es möglich machen, den ganzen Winter hindurch
weiter zu bauen. Außen führt ein Treppenturm nach oben, wo in einer Gebäudewand
eine Tür eingebaut ist, und innen führt eine Holztreppe wieder nach unten.
Hinter der Tür sitzt aber noch eine Art Wachposten, der von allen Besuchern,
die nicht regulär auf der Baustelle etwas zu suchen haben, die Namen in eine
Liste einträgt. Das unterste Fundament ist fertig, darüber ist ein riesiger
Stahlbehälter eingebaut, der die Dichtigkeit garantieren soll, und über diesem
Behälter soll wieder eine dicke Bodenplatte betoniert werden, dafür wird in
diesen Wochen gerade das Bewehrungseisen verlegt. Ich laufe also genau dort
herum, wo später einmal der Reaktorkern arbeiten soll - irgendwie schon ein
seltsames Gefühl...
Auf der Baustelle ist Perfektion oberstes Gesetz. Und das bedeutet Sauberkeit.
Keine Fremdkörper sollen auf den Boden fallen und eventuell einbetoniert werden.
Auch Essen, Trinken (hinter dem Haupttor gilt sowieso striktes Alkoholverbot)
und Rauchen ist innerhalb des Winterschutzgebäudes streng verboten.
Das oberste Motto lautet "Wir bauen hier nicht irgendwas, sondern ein
Kernkraftwerk. Das bedingt äußerste Sorgfalt bei sämtlichen Arbeiten."
Dieses Motto bewirkt allerdings auch, dass sämtliche Vorgänge von allen
möglichen Instanzen genauestens geprüft werden. Und jeder kleinste Vorgang
wird dokumentiert, geprüft, und die Prüfung wird natürlich auch dokumentiert...
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