Wir machen Test-Beton
Eigentlich wurden wir ja überrumpelt. Gestern rief ein Kollege an und fragte mich,
ob mein Kollege und ich heute etwas wichtiges zu tun hätten oder als Protokollanten
zur Verfügung stehen würden. Na klar, Abwechslung ist immer gut! Und dann hieß es,
wir müssen eine Stunde früher auf der Baustelle sein...
Es gibt eine kleine Einweisungsrunde. Dann werden wir mit Funksprechgeräten
versorgt, ziehen unsere Sicherheitsausrüstung an und gehen zu unserem Einsatzort:
eine große Fläche soll betoniert werden, für die etwa 300 m³ Beton benötigt werden.
Der Sinn dieser Aktion ist aber weniger, diese Fläche zu betonieren, sondern vor
allem zu testen, ob unsere Mischanlage es schafft, kontinuierlich etwa 100 m³ Beton
pro Stunde in der erforderlichen Qualität herzustellen.
Rings um diese Fläche stehen vier Betonpumpen. Ich soll mich um die Pumpe Nr. 2 kümmern.
Das heißt, ich soll aufschreiben, wann ein Betonmischer mit Beton ankommt, wann er
beginnt, die Betonpumpe zu befüllen und wann er wieder wegfährt. Außerdem soll ich
die Test-Zentrale informieren, wann der jeweilige Mischer leer sein wird, damit von
dort der nächste Mischer zu meiner Pumpe geschickt wird.
Die Test-Zentrale untersucht den angelieferten Beton, indem das so genannte Ausbreitmaß
bestimmt wird. Dazu wird Beton in einen Zylinder gefüllt, der auf einer Holzplatte
steht. Dann wird der Zylinder hochgehoben, sodass der Beton unten herausfließt und
sich kreisförmig auf der Holzplatte ausbreitet. Nachdem der Durchmesser dieses Kreises
gemessen wurde, wird die Holzplatte 15 Mal angehoben und fallengelassen. Dadurch
breitet der Beton sich noch weiter aus. Auch davon wird Maß genommen. Diese beiden
Messwerte sagen aus, ob der Beton nicht zu fest und nicht zu flüssig ist. Da müssen
genau festgelegte Grenzen eingehalten werden, sonst wird der Beton gleich weggeschickt
und an einer weiter entfernten Stelle abgekippt.
Es dauert ziemlich lange, bis der erste Mischer zu meiner Pumpe kommt. Dann geht
es Schlag auf Schlag, aber eigentlich ziemlich reibungslos. Mein größtes Problem ist,
dass die Zentrale mich hin und wieder anruft "Pumpe zwei, bitte kommen", und ich
fühle mich nicht angesprochen, weil ich "Pumpe drei" verstehe. Die Tonqualität der
Geräte ist fürchterlich, und neben mir laufen die Motoren des Mischers und der Pumpe...
Schließlich taucht ein Problem auf, an das wir vorher gar nicht gedacht hatten: wann
ist denn Schluss? Die Fläche scheint weitgehend voll zu sein... oder fehlt da doch
noch Beton? Soll ich noch eine Fuhre bestellen oder nicht? Wer ist zuständig, wen
kann ich fragen? Das Verteilen des Betons und das Messen der Oberfläche ist Sache
der Franzosen (während ein deutscher Trupp noch einmal Betonproben entnimmt, das
Ausbreitmaß bestimmt und Probewürfel herstellt). Ich frage mich durch, und ein
Franzose sagt, wir hätten genug Beton. Aber da kommt doch noch ein Mischer zu meiner
Pumpe gefahren. Ich will ihn gerade zurückschicken, da kommt ein anderer Franzose
und sagt, der Beton wird doch noch gebraucht. Ich sage dem Pumpenführer Bescheid,
der schon einpacken wollte. Er spricht übrigens nur finnisch - das erste Mal, dass
ich meine Sprachkenntnisse bei der Arbeit wirklich einsetzen muss. Schließlich ist
auch diese Fuhre auf der Fläche verteilt, und nun ist wirklich Schluss.
Damit ist unser Job erledigt. Die Qualitätskontrolle muss nun alles auswerten und
die Probewürfel - nachdem sie hart geworden sind - unter einer Presse zerdrücken,
um ihre Festigkeit zu prüfen.
300 m³ Beton nur zum Testen... so etwas war mir in 27 Jahren Brückenbau noch
nicht untergekommen...!
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