Nachtschicht I
Wir betonieren wieder! Und diesmal noch viel mehr als letztes Mal:
mehrere 1000 Kubikmeter. Damit dieser Beton ein ununterbrochener Block
wird, muss auch ununterbrochen betoniert werden, und das heißt: mehrere
Tage rund um die Uhr.
Eigentlich wollten wir schon in der vorigen Woche anfangen, aber es war
nachts zu kalt. Da hilft der beste Winterschutz nichts, wenn die Mischanlage
für den Beton draußen steht und nicht kälter als -20 Grad werden darf. Diese
Grenze wurde in den letzten Nächten leider regelmäßig unterschritten. Zu
tun gab es eigentlich nicht mehr viel, alles war ja fertig, und es gab
nur noch ein Thema: das Wetter. Schließlich beschlossen wir, sicherheitshalber
auch noch das Wochenende abzuwarten, denn ab Montag sollte es etwas wärmer
werden.
Heute darf ich ausschlafen. Ich bin der Nachtschicht zugeteilt, und das heißt
Dienst von 19 Uhr bis 7 Uhr. Es ist zwar keine Arbeit für mich zu erwarten,
aber man weiß ja nie, was kommt. Vielleicht muss unplanmäßig etwas an den
Bewehrungseisen geändert werden, das soll ich dann dokumentieren. Auch eine
der Sekretärinnen hat Nachtschicht. Ein Kollege, der ebenfalls Nachtschicht hat,
nimmt uns beide mit zur Baustelle.
Wir haben im Büro wirklich nichts zu tun. Richtig arbeiten müssen nur die Leute
draußen im Reaktorgebäude, an der Mischanlage und in den Transport-LKWs.
Wir räumen auf und machen Arbeiten, die wir aus Zeitmangel schon ewig haben
herumliegen lassen.
Ich komme eigentlich ganz gut mit der Nachtschicht zurecht. Wir haben ja genug
Kaffee zur Verfügung. Das einzige Probem war die Verpflegung. Fertiggerichte
für die Mikrowelle scheinen in Finnland ziemlich unbekannt zu sein. Zum Glück
war mir gerade rechtzeitig ein Prospekt von Lidl ins Haus geflattert, wo einige leckere
Sachen angeboten wurden: Nudeln mit Mettbällchen in Pilzsoße und Hackfleischröllchen
in Reis und Tomatensoße. Und als ich bei Lidl war, entdeckte ich auch endlich
die Standardverpflegung: große Dosen Ravioli! In Deutschland sind ganze Regalreihen
mit den verschiedensten Varianten gefüllt, in Finnland hatte ich nur ein paar kleine
Dosen Ravioli entdeckt - außer eben bei Lidl.
Gegen 7 Uhr kommen die ersten Kollegen der Tagschicht, und wir fahren nach Hause
zum Ausschlafen.
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