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Der Video-Wettbewerb

Alles begann mit einem Rundbrief von der Computerzeitschrift c't, die in diesem Herbst 25 Jahre alt wird und die deshalb eine Menge Aktionen geplant hatte. In dem Rundbrief wurden alle im Ausland wohnenden Abonnenten gebeten, ein Foto oder ein Video von sich und seiner Wahlheimat einzusenden. Als Dank dafür winkte ein Sonderheft über die Videoproduktion. Klar, dass ich da mitmachte. Innerhalb eines Wochenendes drehte ich ein Video, das - ehrlich gesagt, nicht ganz der Realität entsprechend - zeigt, wie ich mit dem Fahrrad von der Arbeit komme und quer durch die Altstadt von Rauma zu meiner Wohnung fahre, wo hinter der Tür bereits die neue c't wartet. Darunter legte ich eine flotte Musik: einen finnischen Titel, bei dem ich nach Karaoke-Manier die Gesangsstimme entfernt hatte, um einen deutschen Text dazu zu singen. Die c't-Redaktion fand mein Video sehr gelungen. Gleichzeitig wurde ein Wettbewerb für das Vorwort der Jubiläumsausgabe ausgeschrieben - 1. Preis 3000 Euro. Ich schrieb der Redaktion, dass ich mich ja nicht beklagen wollte, aber angesichts von 3000 Euro für eine Schreibmaschinenseite wäre eine Sonderausgabe als Lohn für ein arbeitsreiches Wochenende vielleicht doch etwas wenig. Eine sehr nette Frau schrieb mir zurück, ich könnte mein Video ja ein wenig verändern und als Beitrag für den Videowettbewerb einsenden.

Videowettbewerb? Den hatte ich glatt übersehen. Da musste ich mitmachen! Und zwar nicht mit der Fahrt durch Rauma, sondern mit einer völlig anderen Idee, die mir ziemlich bald gekommen war: meinen alten BigBoard II zu demonstrieren, die daran anschließende technische Entwicklung als eine Folge von Rückschritten anzuprangern und an diese Ausgangssituation eine berühmte Szene aus dem Film "Life of Brian" anzuknüpfen.

Was meinen Tatdendrang vorerst bremste, war mein Urlaub. Der wollte natürlich erst mal genommen werden. Das einzige, was ich vorerst tun konnte: eine Reise nach Kopenhagen buchen, um mich mit Lin zu treffen.

Kaum war ich von meiner Segeltour zurück, begann ich mit den Vorbereitungen zu dem Video. Zuerst schrieb ich ein Drehbuch (bei neun Darstellern geht es nun mal nicht ohne) und nahm den Ton auf, um zu sehen, wie lange das Drehbuch dauert. Das Ergebnis: 5:00 Minuten. Ich kürzte hier und da, bis der Ton nur noch 3:15 Minuten lang war, was ungefähr der Vorgabe für den Wettbewerb entsprach. Dann galt es, die Videos zu diesem Ton aufzunehmen. Beim nächsten Baumarkt kaufte ich drei billige Bauscheinwerfer und experimentierte mit dem blauen Tuch als Hintergrund, das ich noch von früheren Aufnahmen besaß und das unerlässlich ist, um (wie beim Fernsehen) ein Vordergrundbild auszuschneiden und über einen anderen Hintergrund zu legen. Außerdem suchte ich verschiedene Kleidungen und Outfits für die neun Personen. Ich hatte noch einen künstlichen Bart von einer früheren Aktion, und eine Person bekam auch eine Perücke, die ich aus einem Wischmopp anfertigte. Ein großes Problem war der lange Tisch, an dem drei Personen sitzen sollten, doch dann kam mir die Idee, eine Tür von einem Schrank abzuschrauben und als Tischplatte zu benutzen.

Dann flog ich nach Kopenhagen, um mich mit Lin zu treffen. Mein guter alter BigBoard II, den ich mir vor fast 25 Jahren aus einem Bausatz selbst zusammengelötet hatte, steckte nämlich in einem Umzugskarton, den ich in Lin's Wohnung deponiert hatte. Lin hatte den kompletten Karton mit einem alten Kinderwagen per Bus nach Kopenhagen geschafft. Das kleine Hotelzimmer war bald in ein Filmstudio verwandelt. Eine Wand verschwand hinter einem braunen Bettlaken, quer dazu war das blaue Tuch aufgespannt und mit zwei Bauscheinwerfern beleuchtet. Der alte Computer funktionierte wie eh und je, aber einige Disketten zeigten doch schon ein paar Ausfälle. Schließlich fand ich aber eine Diskette, die noch einwandfrei funktionierte. So konnte ich den Computer aufnehmen und mich selbst dazu, wie ich das Gehäuse öffne und einen Einblick in das Innenleben gewähre. Ich strich die Vorteile heraus: damals waren noch keine Lüfter notwendig, deren Lärm den Benutzer nervt, und man konnte defekte Einzelteile selbst austauschen, ohne immer gleich eine komplette Hauptplatine kaufen zu müssen. Außerdem war der Computer nach dem Einschalten innerhalb von wenigen Sekunden betriebsbereit. So verging der ganze Abend, und Lin schlief schon, als ich endlich fertig war. Es war auch nicht alles gelungen, was ich geplant hatte, aber das musste ich dann in Rauma besser aufnehmen und per Tricktechnik mit dem alten Computer zusammenbasteln, den Lin am nächsten Morgen wieder mitnahm.

Darauf folgten drei Wochen Dauerstress. Das größte Problem war das blaue Tuch, das eigentlich zu klein war und dessen Farbton sich auch nicht so optimal für das Bluebox-Verfahren eignete. Einige Tage vergingen auch mit Experimenten mit einem grünen Tuch. Das Grün war leider sehr matt, und die Bauscheinwerfer verwandelten es in ein Olivgrün, das überhaupt nicht zu gebrauchen war. Ich kaufte grüne Farbe und färbte das Tuch, was die Sache zwar verbesserte, aber leider nur minimal. Dann nahm ich die alljährliche "Nacht der schwarzen Spitzen" mit den langen Ladenöffnungszeiten als Gelegenheit, mehrere Handarbeitsläden abzusuchen. In einem davon fand ich tatsächlich knallgrünen Stoff, der zwar recht gut "funktionierte", aber leider doch nicht besser als der blaue. Also blieb ich bei Blau. Die einzige Verbesserung brachte Overhead-Folie, die ich mit blauer Farbe bedruckt hatte und die ich vor den Bauscheinwerfern anbrachte, um blaues Licht zu bekommen. Außerdem fand ich heraus, dass es günstiger war, das blaue Tuch nicht von den Seiten aus zu beleuchten, sondern von oben und von unten. Doch wie bringe ich einen Scheinwerfer unter der Decke an? Ich "klaute" einen Ski aus dem Keller und verkeilte sein eines Ende so auf einem Schrank, dass er einen Galgen bildete, an dem ich einen Scheinwerfer aufhängen konnte.

Die eigentlichen Aufnahmen waren relativ schnell genacht. Das größte Problem dabei war, dass ich lippensynchron zu dem Ton sprechen musste, den ich nebenbei abspielen ließ. Und immer wieder schaute ich die Szene aus "Life of Brian" an, um die Mimik und Gestik möglichst genau nachzuspielen. Zwischendurch überspielte ich die Aufnahmen auf meinen Computer und schnitt alles zusammen, was auch eine sehr aufwändige Arbeit war. Doch schließlich war das Video fertig.

Allerdings hatte ich noch drei Tage Zeit bis zum Abgabetermin. Diese nutze ich, um ein ausführliches "Making of..." zu produzieren. Überwiegend benutze ich Fotos, die ich von meinen Improvisationen gemacht hatte. Ich erklärte meine Idee, die Hintergründe und die eingesetzte Tricktechnik. Aus all dem erstellte ich eine DVD, die ich an die c't-Redaktion schickte. Nun hieß es warten - und erst mal mein Filmstudio in eine Wohnung zurück zu verwandeln!

Nach einigen Tagen waren die eingesandten Beiträge auf der Internetseite der c't zu sehen. Das meiste fand ich völlig uninteressant, aber einige Videos schienen mir doch harte Konkurrenten zu sein. Es würde also spannend werden. Alle Besucher der Seite konnten Punkte für die Videos vergeben, und außerdem wurden sie auf der IFA in Berlin den Besuchern vorgeführt. Zu meiner Verblüffung hatten sie auch das "Making....of" an meinen eigentlichen Beitrag angehängt!

Plötzlich bekam ich eine E-Mail von der Redaktion: mein Beitrag sei unter den Hauptgewinnen, und man wollte ein paar Einzelheiten über mich wissen, um sie in einen Artikel über den Wettbewerb aufzunehmen. Mehr wurde mir noch nicht verraten. Aber ich wurde gefragt, ob ich den Preis als Sachpreis oder in bar haben wollte. Endlich wurde die Abstimmung beendet, aber ohne Bekanntgebe eines Ergebnisses. Nach einigen Tagen - meine Kollegen nervten schon, weil sie immer wieder fragten -, fragte ich die Redaktion, wann denn die Gewinner bekannt gegeben würden. Daraufhin wurde mir mitgeteilt, ich hätte den 3. Preis gewonnen, und die 1000 Euro seien vielleicht schon auf meinem Konto. Tatsächlich: hätte ich mal ein paar Tage früher mein Konto angeschaut, dann hätte ich längst Bescheid gewusst...

Nun gut - ich hatte eine höhere Platzierung erhofft, aber die Geschmäcker sind halt verschieden: mein heimlicher Favorit hatte nur den 4. Platz erreicht, und einer der langweiligsten Beiträge war unter die besten 6 gekommen.