Die ansonsten recht hügelige Insel hat im Norden eine
lange, flache Landzunge mit hervorragenden Sandstränden auf beiden Seiten.
Hier hatte der Reiseveranstalter ein kleines Dorf aufgebaut: eine Reihe von Bambushütten (diese werden in Fidschi "Bure" genannt)
dicht am westlichen Ufer für die Gäste, in der Mitte ein großes
Hauptgebäude und im Norden einige weitere Hütten für das Personal. Diese
gaben nicht nur der Schiffsbesatzung Unterkunft, sondern auch einigen Frauen
und (vermutlich wegen der Sommerferien) Kindern. Außerdem gab es noch zwei
Waschbecken unter freiem Himmel sowie mehrere einfache Duschkabinen und
Toiletten. Nördlich des "Dorfes" versperrten ein paar hohe Felsen den Weg,
aber man konnte am westlichen Ufer entlang bequem die Spitze der Landzunge
erreichen, denn hier gab es das meiner Meinung nach beste Schnorchelrevier.
Alles war für ruheliebende Menschen zugeschnitten, es gab keinen Diesel und demzufolge
auch keinen Strom. Wir bekamen große, mit Akkus betriebene Handlampen zugeteilt,
im Hauptgebäude wurden abends immer Gaslaternen entzündet. Immerhin hing im
Hauptgebäude ein Funkgerät, das von einer Solaranlange mit Strom versorgt wurde,
und es gab fließendes Wasser. Auf der nächsten Anhöhe hatte man eine Art großes
Dach aus Wellblech aufgebaut, mit dem Regenwasser aufgefangen und in mehreren
großen Tanks gespeichert wurde. Der Höhenunterschied zwischen den Tanks und
dem Dorf sorgte für den nötigen Wasserdruck. Bei den beiden Waschbecken stand
ein Schild mit der Aufschrift "Willkommen im Drawaqa Dorf. Trinkwasservorräte
auf der Insel sind begrenzt. Bitte benutze das Wasser mit Vernunft. Danke." Nun,
das sollte aber nicht unsere Sorge sein, es war ja Regenzeit. In der Trockenzeit,
wenn manchmal bis zu fünfzig Personen die Segelsafari gebucht hatten, mochte das
Schild jedoch durchaus seine Berechtigung haben. Das Händewaschen gestaltete sich
etwas unbequem, weil man den selbst schließenden Hahn immer mit einer Hand
geöffnet halten musste.
Mit der Handlampe versehen, wurden wir auf unsere Bures verteilt. Jede Bure hatte
eine Nummer und einen Namen. Meine Bure hieß "Nagiricala", was "falsche Nummer
gewählt" bedeutet. Die anderen Hütten hatten allerdings ernsthaftere Namen. In
jeder Bure standen zwei Betten mit Moskitonetzen. Durch die Tür hatte man
direkt das lockende Wasser vor Augen.
Bis zum Abendessen war noch Zeit, also erkundete ich erst mal die Gegend.
Es war gut, dass ich allein ging, denn so bekam ich einige Tiere vor die
Kamera, die ich später in Begleitung der anderen Gäste nicht mehr sehen
konnte: große Krebse, die beim Näherkommen in ihren Erdlöchern verschwanden,
kleine Eidechsen und knallbunte Vögel. Sie
hatten grüne Körper mit blaugrüner Brust und rote Schwänze, die Köpfe waren
bei einigen blaugrün, bei den anderen rot gefärbt. Ich stieg die
Anhöhe hinauf bis zu der Wasserversorgung, dahinter entdeckte ich eine
hohe Steilküste, von der aus man eine wunderbare
Aussicht hatte: auf die Nachbarinseln, auf das Riff weit draußen, an dem sich
die Wellen brachen, und auf die "Spirit of the Pacific", die vor unserem Dorf
ankerte. Dann kehrte ich wieder um, denn das Abendessen rückte näher.
Unten beim Hauptgebäude warteten auch schon die anderen. Vor dem Essen sollte
jedoch noch eine Kava-Zeremonie veranstaltet werden. Doch erst einmal gab es
noch etwas zu sehen: mit dem Beginn der Dämmerung
erschienen auf einmal Flughunde am Himmel. Sie hatten ihre Schlafplätze
verlassen und zogen über und hinweg auf Nahrungssuche. Flughunde sind viel
größer als Fledermäuse, können im Dunkeln gut sehen und ernähren sich von
Früchten und anderen Pflanzenteilen.
Nun begann die Kava-Zeremonie. Es war schon ziemlich dunkel, aber wegen der
Feierlichkeit war Fotografieren sowieso verboten. Die Schiffsbesatzung hatte
sich in Baströcke gewickelt und im Halbkreis um eine Kava-Schale gesetzt.
Eine echte Kava-Zeremonie ist reine Männersache und wird auch nur für die
zwei hochrangigsten Personen durchgeführt. Diese sollten Andrew und ich sein:
Andrew als unser Häuptling und ich als sein Sprecher, denn das Sprechen war
unter der Würde eines Häuptlings. Wir beide nahmen also vor der Kava-Schale
Platz. An ihr hing eine mit Muscheln verzierte Kette, die an einer großen
Muschel endete. Die Kette wurde nun in Andrew's Richtung ausgestreckt und
die große Muschel als Zeichen der Ehrerbietung dicht vor ihn gelegt. Die
Männer begannen, kreisförmige Bewegungen mit ihren rechten Armen zu machen,
als ob sie mit riesige Löffeln etwas umrühren würden, und in die Hände zu
klatschen. Dazu rief einer von ihnen einen langen Satz, der auf "mu" endete,
und alle anderen fielen ein: "mu!". Dann bekam Andrew die mit Kava gefüllte
halbe Cocosnuss gereicht, er klatschte in die Hände, leerte die Schale (als
Häuptling durfte er nicht "bula" sagen), gab sie zurück und klatschte dreimal
in die Hände, was alle anderen ebenfalls taten. Dann war ich an der Reihe und
wiederholte die Prozedur, natürlich mit einem lauten "bula!". Damit war der
feierliche Teil abgeschlossen. Jetzt bekamen auch alle anderen Kava, und dabei
durfte nun auch fotografiert werden.
Daran schloss sich das Abendessen an. Während wir das aufgebaute Buffet leer
machten, saßen die Männer daneben und sangen. Zwar nicht ganz so professionell
wie die Kavaholic Band in Nadi, aber ebenso schön und mehrstimmig. Zwei Männer
spielten Gitarre und einer Ukulele, und ihr Repertoire schien endlos zu sein.
Südsee-Stimmung pur! Anschließend saßen wir noch zusammen, tranken weiter Kava
und unterhielten uns. Vor allem über Kava: Anpflanzung, Ernte, Herstellung und
Wirkung. Besonders als Schlafmittel wurde Kava angepriesen. Alkohol sei schlecht,
so wurden wir belehrt, er macht aggressiv, aber Kava beruhigt, man schläft gut,
ist am nächsten Morgen erfrischt und hat keinen Kater.