Am frühen Nachmittag wurden wir wieder auf die "Spirit of the Pacific"
übergesetzt, dann fuhren wir wenige Kilometer nach Norden zu dem Dorf
Muaira. Spätestens am Strand hatten wir uns gesittet anzuziehen: die Kniee
und Schultern mussten bedeckt sein. Meine kurze Hose war gerade noch akzeptabel,
Debbie und Jacinta hatten lange Kleider an, und Stuart wickelte einen traditionellen
Wickelrock um seine Beine. Außerdem waren Kopfbedeckungen streng verboten.
Ein Mann von der Spirit-Besatzung hatte in Zeitungspapier
gewickelt das obligatorische Gastgeschenke dabei: Kava-Wurzeln.
So vorbereitet, betraten wir das Dorf und wurden in das Gemeinschaftshaus eingeladen, wo
erst einmal die unvermeidliche Kava-Zeremonie durchgeführt wurde. Und zwar so, wie wir
es schon einmal "geprobt" hatten: Andrew als unser Häuptling und ich als sein Sprecher.
Dies war der offizielle Teil, anschließend durfte wieder fotografiert werden, und
wir alle bekamen unsere Ration Kava.
Ich versuchte, mit einem der Männer ins Gespräch zu kommen, weil mich zwei Fragen
interessierten. In Deutschland kommen riesige Probleme auf uns zu, weil wir immer
weniger Kinder bekommen und unser Rentensystem unbezahlbar wird. Diese Probleme
ließen sich lösen, indem wir mehr Kinder bekommen, aber das hieße weiteres
Bevölkerungswachstum mit all seinen negativen Folgen. Kann es also ein stabiles
System geben, das ohne Wachstum funktioniert? Hier auf dieser Insel in einem
relativ isolierten Dorf erhoffte ich mir Antworten auf diese Frage, doch ich
erfuhr, dass auch dieses Dorf ständig im Wachsen begriffen ist. Und wenn eines
Tages die Nahrungsquellen nicht mehr ausreichen? "Kein Problem, dann bauen wir
Gärten und pflanzen unsere Nahrung an." Nun gut, also zu meiner zweiten Frage.
In solch einem kleinen, relativ isolierten Dorf muss doch jeder mit jedem
verwandt sein - wie vermeiden sie Erbkrankheiten? "Kein Problem, wir essen
gesundes Essen mit vielen Vitaminen, dann werden wir nicht krank!" Klarer Fall,
der Mann wusste überhaupt nicht, wovon ich redete... also ließ ich es dabei
bewenden.
Dann war erst einmal Zeit für eine individuelle Dorfbesichtigung. In solch einem Dorf
gibt es immer gewisse Bereiche, die für Fremde tabu sind, vielleicht weil dort Tote
bestattet sind, oder aus welchen Gründen auch immer. Wir wurden also eingewiesen, welchen
Teil des Dorfes wir betreten durften und welchen nicht. So zogen wir los. Das Dorf war
weiträumig angelegt mit viel Platz zwischen den vielen winzigen Hütten, die aus den
verschiedensten Materialien zusammengesetzt waren: aus Holz, Wellblech, Betonsteinen und
Blättergeflechten. Überall gab es Rasenflächen, Bäume, Blumen, Wäscheleinen mit bunten
Kleidungsstücken und viele spielende Kinder.
Nach etwa einer halben Stunde kamen wir wieder im Gemeinschaftshaus zusammen. Nun sollte
es eine Konzertvorstellung geben. Etwa 20 Frauen, Männer und ein
paar Kinder setzten sich im Kreis zusammen und begannen zu singen, einige tanzten dazu.
Begleitet wurden sie von einer Gitarre, einem Teekisten-Bass und zwei
Percussions-Instrumenten aus Holz. Als erstes Lied sangen sie das traditionelle
Willkommen-Lied "Ni sa bula", und ganz
schnell wurde mir klar: das war genau die Art von Musik, die ich auf
der EXPO in den Videos der Südsee-Abteilung gehört hatte und die ich unbedingt live hatte
hören wollen! Der volltönende, vielstimmige Gesang klang einfach fantastisch. Welch ein
Gegensatz zu den eintönigen Liedern, die ich in Vanuatu gehört hatte!
Dazu wurden verschiedene Tänze aufgeführt, darunter auch ein Sitztanz: vier Frauen setzten sich in einer Reihe auf den Boden und bewegten
rhythmisch ihre Oberkörper, Arme und Hände. (Damit waren also gleich zwei
Punkte auf meiner Planungsliste abgehakt.) Zum Ende des Konzertes wurden wir dann
aufgefordert, mitzutanzen. Teilweise, wie wir es am Vorabend geübt hatte, teilweise
auch einfach als Polonaise. Abschließend standen alle auf und sangen a capella das
traditionelle Abschiedslied "Isa lei", dann war das Konzert vorbei.
Wir gingen hinaus, und dort hatten die Dorfbewohner schon auf Decken ihre Schätze
ausgebreitet: Muscheln, Muschelketten, Schnitzereien und viele andere Souvenirs
wurden uns angeboten, und zwar zu absoluten Niedrigpreisen. Ich entschied mich für
eine aus Holz geschnitzte Maske, die 15 FJD kostete - in den Souvenirläden von Nadi
würde sie sicherlich das Vielfache kosten.
Anschließend fuhren wir wieder zu unserem Hüttendorf zurück.