Meine Südsee-Reise im Januar 2005
Samoa: Der Tafua-Krater
Mein erstes Ziel auf Savai'i sollte ein alter Vulkankrater sein, in dem laut
Reiseführer gegen Abend Hunderte von Flughunden aufsteigen sollten. Dieses
Naturschauspiel wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Aus dem Schiff gestiegen, nahm ich im nächsten Taxi Platz und gab als Ziel den
Tafua-Krater an. Ich nahm an, dass jeder Taxifahrer diese Sehenswürdigkeit kennen
müsste, aber zumindest bei meinem Fahrer war das offensichtlich nicht der Fall.
Zuerst fragte er ein paar Leute bei einer Markthalle, dann fuhr er auf ein
abseits liegendes Grundstück und fragte dort einige Waldarbeiter, die ihm den
Weg beschreiben konnten. Wir fuhren ein Stück nach Süden und bogen dann nach links
auf eine kleine Straße. Hier sollte irgendwo eine Station sein, wo man Eintrittsgeld
bezahlen sollte, aber wir sahen nichts davon. Schließlich gelangten wir in ein
kleines Dorf, bei dem es sich nur um Tafua handeln konnte, und das hieß laut meiner
Karte, dass wir schon zu weit gefahren waren. Wir kehrten um und fuhren zu einer
Stelle, wo einige Männer am Straßenrand arbeiteten. Der Taxifahrer redete mit ihnen,
und einer von ihnen stieg zu uns ein, um uns den Weg zu zeigen. Wir fuhren noch etwas
weiter zurück und bogen dann nach rechts in einen Waldweg ein. Dieser war lange nicht
mehr benutzt worden und war mit hohem Gras bewachsen, sodass man den Boden nicht mehr
sehen konnte. Hoffentlich verbarg das Gras keine Hindernisse, die das Auto beschädigen
würden! Aber zum Glück passierte nichts. Schließlich gab unser Führer - er hieß Filipo -
das Signal zum Halten. Der Taxifahrer blieb im Auto sitzen, während wir durch den
Wald einem schmalen Pfad folgend einen steilen Hang hinaufstiegen. Bald war der Kraterrand erreicht. Der Krater hatte nichts mit dem toten Gestein
des Mt. Yasur gemein - auf seinem Boden wuchs tropischer Regenwald, und auch seine Wände
waren dicht mit Pflanzen bedeckt. Es war noch hell, also hieß es erst einmal warten,
denn die Flughunde bei der Segelsafari hatten wir ja auch erst während der Dämmerung
gesehen. Nur hin und wieder ließen sich einzelne Flughunde am Himmel sehen. Wir warteten
fast eine Stunde lang, während Filipo immer wieder davon schwärmte, wie viele, viele
Flughunde es hier gäbe. Doch dann begann er zu drängen, wieder zurück zu gehen. Ich
wollte natürlich lieber noch bleiben und auf die Dunkelheit warten. Aber Filipo meinte,
es wäre besser, schlafen zu gehen und am nächsten Morgen noch einmal herzukommen. Ich
fragte ihn, ob er mir eine Übernachtungsmöglichkeit empfehlen könne. Er antwortete,
ich könne bei ihm zu Hause schlafen, er hätte ein sehr großes Haus. Diese Einladung
nahm ich gern an. Im Reiseführer hatte ich schon Wunderdinge über die samoanische
Gastfreundschaft gelesen - nun würde ich sie selbst erleben!
Wir stiegen also hinab und fuhren mit dem Taxi zu Filipos Haus. Der Taxifahrer wollte
40 WST
haben. Ich fragte ihn, ob das wirklich alles beinhalten würde, das Benzin und die
Wartezeit. Er bestätigte das, und ich gab ihm die gewünschte Summe. Filipos Haus war wirklich groß, aber es bestand nur aus einem
einzigen großen Raum. Der Betonboden war zur Hälfte mit Kunststoff beklebt, bunte
Stoffbahnen verkleideten die Decke. Drinnen saßen Filipos Frau und ihre drei Kinder
zusammen und hielten eine Abendandacht. Dann bekam ich ein einfaches, aber gut
schmeckendes Abendessen. Als es dann zur Nachtruhe ging, wurden in eine Ecke des Hauses
zwei dicke Matratzen übereinander gelegt und mit Bettzeug ausgestattet. Dann wurden große
Tücher über Wäscheleinen gehängt, die kreuz und quer unter der Decke verliefen, auf diese
Weise wurde für mich eine Art Einzelzimmer abgeteilt. Als alles fertig war, gingen wir
schlafen. Trotz all dieser Bemühungen kann ich nicht sagen, dass ich gut schlief. Das
Kofferradio lief die ganze Nacht, Filipo schnarchte, und hin und wieder lief jemand im
Haus umher und redete mit den anderen. So wurde mein Schlaf immer wieder unterbrochen.
Am nächsten Morgen wurde ich bereits gegen 5 Uhr von Gesang geweckt. Filipo stimmte
eine Art Choral an, in den die anderen nach und nach einfielen. Jemand versuchte
sich an einer zweiten Stimme, aber es klang schief, krächzend und einfach jämmerlich.
Kein Wunder, wenn man noch im Bett liegt und gerade erst aufgewacht ist. Dann zogen
wir uns an, und ich wartete darauf, dass wir zum Krater gehen. Zuerst wurden aber
die aufgehängten Tücher beseitigt und alles aufgeräumt. Dann gab es Frühstück. Ich
wurde allmählich unruhig, denn draußen wurde es immer heller. Aber ich dachte,
Filipo wird schon wissen, was er tut. Dann endlich gingen wir los. Ohne Auto
dauerte es eine ganze Weile, und die bereits hoch stehende Sonne ließ uns kräftig
schwitzen. Wir marschierten an vielen Plantagen vorbei, vor allem an Banananbäumen.
Filipo erklärte mir, dass dies alles ihm gehören würde und dass viele Männer für ihn
arbeiten. Ich fragte ihn, wie man denn Bananen vermehrt, denn die Früchte hätten
doch keine Samen. Er machte nur eine weit ausholende Armbewegung und schwärmte
"oh, viele viele Bananen!". Offensichtlich hatte er meine Frage gar nicht verstanden.
Schließlich hatten wir wieder den Kraterrand erreicht, aber das genügte ihm nicht,
er führte mich - als ob ich noch nicht genug geschwitzt hätte - weiter auf den noch
höher liegenden Kraterrand auf der anderen Seite. Von hier aus hatten wir einen
herrlichen Ausblick auf die Berge von Savai'i, aber Flughunde sahen wir überhaupt nicht.
Nach einer halben Stunden kam Filipo zu der Ansicht, dass es sinnlos wäre, länger
zu warten. Wir hätten um 6 Uhr kommen sollen, da gäbe es viele, viele... und jetzt war
8 Uhr schon längst vorüber. Ich war ziemlich sauer: zwei Gelegenheiten versäumt
und sinnlos Schweiß vergossen! Aber ich ließ es mir nicht anmerken. Wir kletterten
wieder hinunter, Filipo begrüßte den flachen Boden mit einem lauten "Danke, Jesus!",
dann marschierten wir wieder unter der sengenden Sonne nach Hause.
Bis der nächste Bus vorbei kam, war noch reichlich Zeit. Ich machte ein paar
Familienfotos und Aufnahmen vom Haus und seinen
Nebengebäuse. Es gab noch eine kleine Veranda mit Kiesboden, dahinter bildete
ein Kochtopf auf Steinen die Küche. Etwas abseits
stand ein winziges Toilettenhäuschen, das einzige Gebäude mit durchgehenden
steinernen Wänden. Zum Spülen benutzte man einen Eimer, den man aus einem draußen
stehenden Wasserfass zu füllen hatte. Noch etwas weiter weg stand das Badezimmer:
vier etwa schulterhohe, unbedachte Wände mit einem Eingang und einem Rohr, aus dem
in Kopfhöhe Wasser plätscherte, wenn man den Hahn aufdrehte. Und wenn ich Rohr
sage, meine ich auch Rohr: es gab keine Brause oder ähnliches. Währenddessen dachte
ich darüber nach, was ich im Reiseführer gelesen hatte: dass es sich für einen Gast
gehört, ein Gastgeschenk zu überreichen. Das könnte auch ruhig Geld sein, aber wie
viel wäre in meinem Fall angebracht? Oder würde sie ein Geldangebot vielleicht doch
eher beleidigen? Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich tun sollte.
Schließlich kam die Zeit, wo der Bus erscheinen sollte. Ich packte meine Sachen
zusammen. Da plötzlich meinte Filipos Frau ganz unverblümt, ich könne ihnen doch
50 WST
für die Übernachtung und das Essen geben. Aha, so viel also zu der berühmten
samoanischen Gastfreundschaft, dachte ich. Nicht dass ich das Geld bedauerte, aber
irgendwie war ich doch etwas enttäuscht. Immerhin war damit jedoch mein Problem
mit dem Gastgeschenk aus der Welt geschafft. Ich zückte also meine Geldbörse und
gab Filipos Frau den gewünschten Betrag, was Filipo mit einem lauten, herzhaften
"Paul, ich liebe dich!" kommentierte. Dann brachte ich mein Gepäck zum
Straßenrand, wo auch bald der Bus hielt und mich mitnahm.
Ich wollte erst mal wieder zurück zu der Markthalle dicht beim Fähranleger fahren,
denn das war sozusagen auch der Busbahnhof und Hauptknotenpunkt von Savai'i. So weit
kam ich jedoch nicht. Wir hatten gerade die Hauptstraße erreicht und waren vielleicht
einen Kilometer Richtung Norden gefahren, da blieb der Bus stehen. Etwas schien nicht
in Ordnung zu sein, alle Fahrgäste stiegen aus. Tatsächlich: hinten links hatte der
Bus einen platten Reifen. Dank seiner Zwillingsreifen konnte er jedoch ohne Fahrgäste
weiter fahren. Gut, dass man in Samoa immer erst am Ziel bezahlt! So standen wir alle
am Straßenrand und warteten auf den nächsten Bus. Ich jedoch stellte mich auf die
andere Seite und nahm gleich den nächsten Bus in Richtung Taga.