Meine Südsee-Reise im Januar 2005
Vanuatu: Das traditionelle Dorf
Heute stand der Besuch eines traditionellen Dorfes an. Es solle getanzt
und gesungen werden. Ich war schon sehr gespannt, ob mir nun das geboten
werden würde, was ich auf den Videos der Südsee-Abteilung auf der EXPO
gesehen hatte.
Ich bekam wieder einen Führer: Mikels Bruder Joel, 14 Jahre alt. Auch er
sprach fließend englisch. Auf dem Weg zum Dorf erzählte er mir, dass man
schon in der dritten Klasse eine Fremdsprache lernen musste, wobei je nach
Schule Englisch oder Französisch unterrichtet wurde. Manche Wörter waren sehr
schwierig zu verstehen, weil er sie anders aussprach, als ich es gewohnt war,
aber so erging es mir im Südpazifik häufig, dass ich immer mal wieder
nachfragen musste. Natürlich stellte Joel auch die unvermeidliche Frage,
woher ich komme, und meine Antwort kommentierte er mit einem Satz, den ich
auch später in Samoa und Fidschi noch oft hören sollte: "Dann hast du also
deine eigene Sprache." Dies schien vielen Leuten bemerkenswert zu sein, da
Englisch und Französisch in vielen anderen Ländern gesprochen wird. Ich
erklärte ihm, dass Deutsch auch noch in Österreich und in der Schweiz
gesprochen würde, aber von diesen Ländern hatte er noch nie etwas gehört.
Auch eine andere Frage war unvermeidlich: "Das erste Mal in Vanuatu?" Ich
begann bald, diese Frage nicht mehr mit "ja" zu beantworten, sondern
ähnlich wie in dem legendären Sketch
Dinner for One meine Antwort gleich als Steigerung zu formulieren "Das
erste Mal im Südpazifik!" und heimlich in Gedanken "... James" hinzuzufügen.
Schließlich verließen wir die Straße (jedenfalls was in Tanna als Straße gilt),
stiegen einen Hang empor und gelangten auf einen kleinen ebenen Platz neben
dem gigantischsten Banyan-Baum, den ich bislang
gesehen hatte. Er hatte sogar einen mannshohen Durchgang, aus dem vorsichtig
ein kleines Kind hervorschaute. Kurz darauf kamen einige Männer und kleine
Jungen aus diesem Durchgang hervor, die nur mit einem Büschel aus Bast bekleidet
waren. Sie stellten sich im Kreis auf und begannen zu
singen und zu tanzen, indem sie im Kreis liefen oder sprangen, in die Hände
klatschten und kräftig mit den Füßen auf den Boden stampften. Ich muss
gestehen, dass meine Begeisterung sich leider in Grenzen hielt. Der
Gesang war einstimmig und
pentatonisch,
er klang in meinen Ohren langweilig. Die Männer zeigten mehrere Tänze, die sich
weitgehend ähnelten. Während des letzten Tanzes sangen sie sogar englische Wörter
wie "custom dance" und "good-bye to you", sodass ich mich fragen muss, wie weit
diese Vorstellung überhaupt authentisch war.
Anschließend wurde Feuer gemacht. Ein Mann rieb ein Stück
Holz in der Kerbe eines dicken Astes, den mehrere Kinder festhielten. Nachdem
er genügend glühende Funken erzeugt hatte, benutzte er sie aber nicht wie der Mann
auf der EXPO sofort zum Anzünden, sondern er kippte die Funken auf einen anderen,
bereits stark angekohlten Aststummel. Dadurch hatte er jetzt beide Hände belegt und
benötigte einen zusätzlichen Mann, der trockene Blätter in
die kraftig angeblasenen Funken hielt. Schließlich brannte das Feuer, die
Männer bekamen reichlich Beifall gespendet, aber ich muss leider sagen: was ich auf
der EXPO gesehen hatte, kam mir doch weniger umständlich vor.
Damit war die Vorstellung beendet. Am Rande des Platzes war ein primitives Gestell
aufgebaut, auf dem ein paar sehr preisgünstige Souvenirs lagen. Mein Rucksack war
sowieso schon voll, ich konnte also nur etwas kaufen, was klein und unzerbrechlich
war. Bei einigen Gegenständen war auch offensichtlich, dass bei ihrer Anfertigung
Kunststoffkleber benutzt worden war. Ich entschied mich für ein kleines Beil mit
Steinklinge und einem mit einfachen Schnitzereien verziertem Holzgriff. Dies und
die Vorstellung kosteten zusammen gerade mal 500 VUV.
Nun fragte mich Joel, ich ich auch noch die Kels sehen wollte. Ich musste mehrmals
nachfragen, bis ich verstand, dass er von Girls sprach. Na klar, warum nicht. Wir
gingen zu einem anderen kleinen Platz zwischen kleinen Hütten und bunten Blumen.
Eine Frau mit ein paar kleinen Mädchen kamen zu uns, die mit bunt gefärbtem Bast
bekleidet waren. Tanz und Gesang war ähnlich wie bei den
Männern, sie stampften jedoch nicht so sehr mit den Füßen auf dem Boden,
und sie trugen kurze Stöcke in der Hand, mit der sie hin und wieder rhythmisch
und laut klatschend auf den Boden schlugen. Auch die Frauen bekamen Beifall und
das bisschen Geld, das sie verlangten. Dann gingen wir wieder zurück.
Der Rest des Tages verlief ziemlich ereignislos. Ich machte einen Spaziergang
in die Umgebung und ging auch noch mal ein Stück Richtung Vulkan, um das ferne
Donnern und den Gesang der Zikaden aufzunehmen, dies wollte ich später in meinem
Urlaubsvideo unter die dazu passenden Bilder mixen. Am späten Nachmittag gesellte
ich mich zu zwei Frauen, die mit ihren Kindern am Eingang des Gartens saßen, um
mich ein bisschen zu unterhalten. Ein Kind interessierte sich sehr für meine
Kamera, doch es wurde von seiner Mutter mit dem Wort "tabu, tabu!" zurückgehalten.
Dieses Wort bedeutet "heilig, verboten" und hat seinen Weg aus dem polynesischen
Raum bis in unsere Sprache gefunden.
Später hörte ich von der Ferne sehr melodische Gesänge - genau was ich hören wollte!
Ich lief in die Richtung, aus der die Klänge kamen, und fand schließlich eine
winzige Kirche, in der gerade ein Gottesdienst abgehalten wurde und der
schon fast zu Ende war, als ich eintraf, da gab es leider nichts mehr zu hören.
Bemerkenswert fand ich, dass der Pastor sehr viel aus der Bibel zitierte und
dass viele Anwesende die Worte in ihren eigenen Bibeln verfolgten.
Und dann war da noch dieser Geldschein in meiner Tasche.
Er erinnerte mich daran, dass ich ja auch noch mit einem Auslegerboot segeln wollte.
Ich fragte Kelson danach, aber er sagte mir, solche Boote gäbe es hier
nicht mehr. Höchstens noch auf den kleinen äußeren Inseln, wo die Menschen so
arm wären, dass sie sich keine Motorboote leisten könnten.