Die Häuser auf Samoa haben oftmals gar keine richtigen Wände, sondern nur Stützen,
die das Dach tragen. So sah auch meine Fale aus.
Diese Bauweise hat den Vorteil, dass kühlender Wind ungehindert durch das
Gebäude streichen kann. Ringsum sind am Dach Geflechte aus Cocosblättern
angebracht, die eine Art Jalousie bilden. Wenn es stürmt oder regnet, lässt man
einfach an den benötigten Stellen die Jalousie herunter. In der Praxis genügt
das jedoch nicht, dann nimmt man noch eine große Plastikfolie und spannt sie
außen über die Jalousien. So bleibt das Innere dann auch wirklich trocken. Das
Innere war sehr einfach: auf dem Bretterboden lagen ein paar Matten aus
geflochtenen Blättern, darauf eine bequeme Matratze und Bettzeug, und darüber
hing das obligatorische Moskitonetz. Das war alles, aber mehr brauchte ich ja
eigentlich auch nicht.
Warum war ich eigentlich hierher gekommen? Im Internet hatte ich einen Veranstalter
entdeckt, der mehrtägige Paddeltouren auf dem Meer in der Umgebung von Namua anbot.
Auf diesen Touren sollte man Haie und vor allem Seeschildkröten beobachten können.
Für solch eine lange Tour war mir meine Zeit zu kostbar, deshalb war ich nach Namua
gekommen, weil ich hoffte, vom Ufer aus Schildkröten sehen zu können. Der Besitzer
des Resorts bestätigte mir auch, dass man oft welche sehen könne, zum Beispiel auch
von ganz oben.
Also machte ich mich auf den Weg nach oben. Es gab einen schmalen, sehr
steilen Pfad auf den Berg hinauf. Ständig musste ich darauf achten, keine
Einsiedlerkrebse zu zertreten, die recht zahlreich den Weg bevölkerten. Ich weiß
nicht, was die Krebse dort oben wollten. Es erschien mir sehr mühsam, das Gehäuse
den Berg hinauf zu schleppen, und eine falsche Bewegung genügte, um den Halt zu
verlieren und viele Meter weit hinunter zu kullern. Ich beobachtete auch einen
Palmendieb (coconut crab), der mühsam in einer
Felsspalte hinauf kletterte. Der Besitzer des Resorts hatte mir am Vorabend solch
einen Krebs gezeigt und mir erzählt, diese Tiere würden auf Cocospalmen klettern,
Cocosnüsse abkeifen, wieder herunter klettern und dann die herabgefallenen
Cocosnüsse öffnen und ihren Inhalt verzehren. Neueren Erkenntnissen zufolge soll
dies aber nicht stimmen, vielmehr versuchen die Krebse, oben auf den Bäumen an
das Fruchtfleisch der Cocosnüsse zu gelangen, wobei hin und wieder ohne Absicht
eine Cocosnuss vom Baum gelöst werden kann.
Oben auf dem Berg gab es allerdings nicht viel zu sehen außer dichtem Regenwald.
Nur an wenigen Stellen konnte man einen kleinen Abstecher zum Waldrand machen.
Der Wald wurde dort durch eine schroffe Steilküste begrenzt. Aber außer den Weiten
des Pazifiks gab es dort auch nicht viel zu sehen, nach Schildkröten hielt ich
vergeblich Ausschau. Schließlich verlor sich der Trampelpfad, und es gab keine
Alternative als den selben anstrengenden Weg zurück zu gehen. Schweißgebadet kam
ich bei meiner Fale an, wrang mein T-Shirt aus, spülte es mit Süßwasser ab und
hängte es zum Trockenen auf.
Es war nun Ebbe und damit Gelegenheit, den Uferbereich der Insel zu erforschen.
Mit etwas Mühe war das Nordufer bald erreicht. Hier
konnte ich die Steilküste von unten betrachten. Die Felsen sahen stark
ausgewaschen aus, überall waren flache Höhlen entstanden, in denen Pflanzen
wuchsen oder Vögel nisteten. Das Wasser hatte seinen Tiefststand erreicht, ich
konnte viele Korallen sehen, die offensichtlich
nicht höher wachsen konnten, weil sie bereits die Luft erreicht hatten und nur
noch von den Wellen nass gehalten wurden. Dazwischen schwammen viele kleine
Fische, einige von ihnen waren leuchtend blau. Was man sich in Deutschland im
Aquarium hält, hatte ich hier in Freiheit vor Augen. Ich versuchte noch weiter
dem Ufer zu folgen, aber es gab dort zu viele unwegsame Felsbrocken, an denen
die sich brechenden Wellen hoch aufspritzten. Auch der Weg über eine flache
Landverbindung hinüber zu der kleinen Insel Fanuatapu war mir zu beschwerlich,
vielleicht würde mir die einsetzende Flut auch den Weg abschneiden, also kehrte
ich wieder zu meinem Resort zurück.
Inzwischen waren zwei weitere Gäste eingetroffen: ein Amerikaner mit seiner
samoanischen Freundin. Beim gemeinsamen Mittagessen auf der Veranda stellte
sich heraus, dass die Samoanerin einmal vier Jahre in Hannover gewohnt hatte,
um als Missionarin zu arbeiten. Sie konnte auch noch ein bisschen deutsch sprechen,
aber meistens sprachen wir englisch, um ihren Freund nicht auszuschließen.
Im Laufe des Nachmittags versuchte ich, dem Ufer in die andere Richtung zu
folgen, aber wegen des inzwischen gestiegenen Wassers kam ich nicht allzu weit.
Das Ufer selbst war nicht begehbar, es gab zu viele Felsen und undurchdringlichen
Wald. Schildkröten bekam ich auch nicht zu Gesicht. Damit hatte ich die Insel
praktisch "abgehakt". Ein idyllisches Plätzchen, nette Bewirtung, hervorragendes
Essen, aber eher etwas für Leute, die ausspannen wollen und denen es genügt,
mit einem dicken Buch am Strand zu liegen.
Gegen Abend wurde wieder der Diesel angeworfen.
Ich bekam die Erlaubnis, anstelle der Weihnachtsdekoration mein Ladegerät
anzuschließen und meine Akkus zu laden. Zum Abendessen gab es sehr leckere
Langusten, die zum Glück schon aufgeschnitten waren, sodass ich wenig Arbeit
damit hatte. Als meine Akkus voll waren, ging ich zu Bett.