Als es zu dämmern begann, war es Zeit, zu Tanu hinüberzugehen. Überraschung: nicht nur
die beiden deutschen Stewardessen waren dort, sondern auch Agnes aus Polen. Wir stellten
fest, dass wir beide morgen sogar gemeinsam nach Apia fahren und übermorgen nach Fidschi
fliegen würden. Das Abendessen war reichhaltig und hervorragend. Es wurde an drei langen
Tischen serviert, die überdacht waren und einen kleinen Platz mit Sandboden einrahmten.
Anschließend wurden große Scheinwerfer eingeschaltet, und eine Gruppe bunt gekleideter
Menschen betrat den Platz. Als erstes setzen sie sich auf den Boden und sangen ein sehr
schönes, vielstimmiges Lied, während ein unglaublich dicker und
am ganzen Körper dicht tätowierter Mann dazu tanzte. Aus musikalischer Sicht war
das bereits der Höhepunkt des Abends, denn die restliche Musik wurde von einer Anlage
abgespielt, während dazu getanzt wurde. Das beste war dann noch
ein 13-jähriger Junge, der Fackeln herumwirbelte und eine wirklich eindrucksvolle
Show ablieferte.
Am nächsten Morgen frühstückte ich auf der Veranda, dann hieß es Rucksäcke packen
und bezahlen. Der Bus sollte bald kommen, also ging ich zur Straße, wo schon einige
Frauen warteten - allerdings auf der falschen Straßenseite. Ich wunderte mich, aber
sie sagten mir, das wäre schon richtig so. Schließlich kam der Bus. Die Frauen waren
absolut sicher, dass ich einsteigen sollte, also stieg ich ein, kurz darauf auch Agnes.
Wir fuhren etwa eine halbe Stunde lang in die falsche Richtung. Allerdings wurde mir
bald klar, was der Sinn der Sache war: der Bus drehte um, und als wir wieder bei Jane's
Beach Fales vorbei kamen, waren bereits alle Bänke besetzt. Wäre ich jetzt erst
eingestiegen, hätte ich stehen müssen. Aber der Bus füllte sich weiter.
Es war nämlich Sonntag, und da wird in dem sehr religiösen Samoa so gut wie gar
nicht gearbeitet, stattdessen absolviert man in bester Sonntagskleidung mehrere
Kirchgänge. Auch Dirk hatte mir erzählt, dass er sonntags keine Tauchfahrten
machen könne, ohne riesige Probleme zu bekommen. So gab es an diesem Tag also
auch nur sehr wenige Busfahrten. Dementsprechend verlief auch unsere Reise.
Immer mehr Leute stiegen ein. Zuerst nahmen die Frauen ihre Kinder auf den
Schoß, dann nahmen die Männer ihre Frauen auf den Schoß, und schließlich nahmen
die Frauen, die auf dem Schoß ihrer Männer saßen, ihre Kinder auf den Schoß.
Auch Agnes hatte sich kurzerhand ein Kind auf den Schoß gesetzt und wurde
bald darauf von einem Mann auf den Schoß genommen. So
saßen auf manchen Bänken fünf Personen statt der vorgesehenen zwei!
Ich hatte, um Platz zu schaffen, meinen kleinen Rucksack auf den Schoß
genommen, das machte mich ziemlich unbeweglich, sodass es äußerst unbequem war,
auf der harten Holzbank auszuharren. Außerdem musste ich noch aufpassen, dass
ich nicht mit dem Knie gegen die scharfkantige Stahlschiene stieß, an der die
Bank vor mir befestigt war. Nach einer schier endlos erscheinenden Fahrt
erreichten wir endlich den ersehnten Fährhafen und stiegen aus.
Wir mussten etwa eine Stunde warten, die Fähre erschien in weiter Ferne und
musste erst noch herankommen und anlegen. Dann strömten die Menschenmassen an
Bord. Im Gegensatz zum Bus war es aber nicht wesentlich voller als auf meiner
Hinfahrt. Ohne besondere Vorkommnisse erreichten wir Upolu und fuhren mit einem
weiteren Bus (der zum Glück auch nicht so voll war) nach Apia. Hier nahm ich ein
Taxi zum Outrigger,
wo ich ja bereits eine Übernachtung gebucht hatte. Ich bekam ein nettes, großes
Zimmer mit Air Condition zugewiesen, Duschen und Toiletten gab es auf dem Flur.
Zu dumm, dass es Sonntag war, denn ich war immer noch nicht dazu gekommen, mir
eine bessere Kappe zu kaufen als die gebrauchte Kappe aus Pacific Harbour.
Trotzdem ging ich ins Stadtzentrum, vielleicht gab es etwas anzuschauen. Nach
einiger Zeit hörte ich lauten, vielstimmigen Gesang aus der Ferne. Ich ging
dem Klang nach und fand bald eine große Kirche, in dem ein Gottesdienst
abgehalten wurde. Ich stellte mich draußen in den Eingangsbereich, um ein wenig
zuzuhören. Da kam ein Ordner auf mich zu und lud mich ein, hineinzukommen. Ich
meinte, meine Kleidung wäre doch nicht angemessen, aber er sagte, das ginge schon
in Ordnung. So nahm in drinnen auf einem Stuhl Platz. Es wurde noch ein schönes,
feierliches Lied gesungen, viele Leute sangen stehend mit erhobenen Armen und geschlossenen
Augen. Dann trat ein Prediger auf, der als Gastprediger aus Hawaii vorgestellt wurde
und auf englisch predigte. Vor allem wetterte er gegen Lotto und Glücksspiele, kam
dann auf das Paradies und andere biblische Geschichten, kehrte aber immer wieder auf
das Glücksspiel zurück. Einige Zuhörer verfolgten alle Bibelzitate in ihren eigenen
Bibeln und riefen immer wieder "Halleluja!" oder "Praise God!" dazwischen. Es war
also ein Gottesdienst ganz im amerikanischen Stil. Mehrmals erschien es mir, dass
er zum Ende kommen wollte, aber dann ging es wieder gegen das Glücksspiel los.
Nachdem er über eine Stunde lang gewettert hatte, gab ich es auf, länger auf die
nächsten Gesänge zu warten und verließ die Kirche.
Nun ging es auf den Abend zu - Zeit also, etwas zu essen. Ich hatte Lust auf chinesisches
Essen und suchte mir aus dem Reiseführer das nächste Chinarestaurant heraus. Leider
war es geschlossen. Ebenso das zweite und das dritte. Sie lagen ziemlich weit auseinander,
ich hatte viel Zeit mit Laufen und Suchen verbracht, es wurde immer dunkler, und
mein Hunger wurde immer größer. Das einzige offene Restaurant war McDonalds gewesen,
aber so tief wollte ich noch nicht sinken. Schließlich entdeckte ich ein geöffnetes
Fischrestaurant, wo ich ganz ausgezeichnet speiste. Frisch gestärkt marschierte ich
wieder zurück zum Outrigger. Ich nahm den Computer in Beschlag und schaute meine E-Mails
an, die sich während der Woche in Samoa angesammelt hatten. Dann ging ich schlafen.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf und packte meine Sachen. Ich musste sogar noch
auf das Frühstück warten, auf Frühaufsteher war man wohl nicht vorbereitet. Aber ich
wollte mir unbedingt noch die Parade ansehen, von der ich im Reiseführer gelesen hatte.
Trotz der samoanischen Gemütlichkeit schaffte ich es rechtzeitig, ausgiebig zu
frühstücken, auszuchecken und mit einem herbeigerufenen Taxi ins Zentrum zu fahren.
Der Taxifahrer wusste, wo die Parade vorbeikommen würde und setzte mich vor einem
großen Gebäude ab. Hier baute ich meine Kamera auf und wartete. Was genau geschehen
würde, wusste ich nicht. Schließlich erklang Marschmusik aus der Ferne, und eine
Truppe Polizisten näherte sich. Vorn marschierten 30 Männer in weißen Hemden
und langen Hosen, ordendlich in Dreierreihen, dahinter kam eine Militärkapelle
aus etwa 25 Männern in weißen Helmen, hellblauen Uniformhemden, dunkelblauen
Wickelröcken und Sandalen. Es war schon irgendwie ein Anachronismus: oberhalb der Gürtellinie europäisch inklusive Instrumente und
europäischer Marschmusik, unterhalb der Gürtellinie das traditionelle Samoa.
So zogen sie an mir vorbei und blieben auf Kommando eines Offiziers stehen. Auf
weitere Kommandos setzten die Musiker ihre Instrumente ab, alle drehten sich
linksum zu dem Gebäude hin und standen stramm. Wie ich hinterher im Reiseführer
las, handelte es sich um das Parlamentsgebäude von Samoa. Dann spielte die
Kapelle die Nationalhymne, während vor dem Gebäude die samoanische Flagge langsam
gehisst wurde. Punkt 8:00 Uhr hing sie an der Mastspitze, die Nationalhymne ware zu
Ende, und eine Sirene begann zu heulen. Die Männer drehten sich wieder rechtsum und
marschierten unter weiterer Musik wieder an mir vorbei zurück.
Nach diesem interessanten Erlebnis schleppte ich meine Rucksäcke zum Busbahnhof,
der in der Nähe lag, fragte mich wieder nach einem Bus durch und fuhr zum Flughafen.
Hier bestätigte sich das Gerücht, dass man tatsächlich 40 WST Ausreisegebühr
zu zahlen hatte, um das Land verlassen zu dürfen. Später traf auch Agnes ein,
und wir warteten gemeinsam auf den Abflug. Während des Fluges mussten wir den
geschenkten Tag von der Hinreise wieder hergeben: wir starteten am Montag um 12:50
und landeten am Dienstag dem 18.1. um 13:45 nach knapp zwei Stunden Flug.